Berlin. Wohnen auf winzigem Raum – das Tiny House wird in Deutschland beliebter. Was sie kosten und wie umweltfreundlich sie wirklich sind.

Die deutschen Haushalte mögen es gern geräumig. 47,4 Quadratmeter beanspruchte jede und jeder Einzelne hierzulande im Schnitt im vergangenen Jahr. Seit sechs Jahren steigt die Wohnfläche kontinuierlich an. Binnen 30 Jahren sind pro Kopf im Schnitt 12,5 Quadratmeter hinzugekommen.

Doch es geht auch anders. Winzig. Und zugleich mobil. Tiny Houses (englisch für „winzige Häuser“) erleben seit einigen Jahren in Deutschland eine stetige Nachfrage. Ganze Tiny-House-Dörfer entstehen, es bilden sich Vereine, es gibt Messen.

Tiny Houses: Über alle Altersklassen hinweg sind die Mini-Häuser beliebt

Was aber macht den Reiz aus, aus der geräumigen Wohnung oder dem Haus auszuziehen und ein Leben auf wenigen Quadratmetern zu führen? „Wer in den Urlaub fährt und nur das Nötigste dabeihat, stellt oft fest, dass es gar nicht viel für ein gutes Leben braucht. So ist es auch im Tiny House“, sagt Regina Schleyer, Vorsitzende von Deutschlands erstem Tiny-House-Verband, im Gespräch mit unserer Redaktion.

Tiny Houses, die häufig aus Holz gebaut sind, könnten für viele Altersgruppen eine Option sein. „Es gibt beispielsweise Studenten, die sich gerne Eigentum anschaffen wollen. Oder aber die Generation der über 50-Jährigen, die den folgenden Lebensabschnitt anders gestalten möchte, etwa weil die eigene Wohnung zu groß geworden ist. Andere wollen weniger Arbeitszeit für ihre Wohnkosten aufbringen und keine teuren Mieten mehr zahlen“, zählt Schleyer auf.

Noch gibt es keine Definition für deutsche Tiny Houses

Einst aus den USA gekommen, rollen die winzigen Häuser hierzulande den Markt auf. Sogar Tchibo hat die Mini-Häuser bereits angeboten. Dabei gibt es noch nicht einmal eine allgemeingültige Definition. Ist ein Tiny House nur ein besserer Wohnwagen? Oder auch ein Mikroappartement in einem Wohnblock?

Für Schleyer ist die Mobilität ein entscheidendes Kriterium. Häufig gelten als Norm vier Meter Höhe, maximal 43 Quadratmeter Fläche und höchstens 3,5 Tonnen Gewicht – so kann ein Tiny House eine Straßenzulassung erhalten. Viele Tiny-House-Besitzer wollen aber gar nicht mit ihren eigenen vier Wänden durch die Gegend rollen. Sie sind froh, wenn sie mit ihrem Haus einen festen Standort gefunden haben. Das ist gar nicht so einfach.

Stellplatzsuche ist häufig ein Problem

Denn ohne Definition tauchen die winzigen Häuser in Bebauungsplänen von Kommunen erst gar nicht auf. „Viel läuft derzeit noch über individuelle Absprachen mit den Kommunen. Manche Hersteller bieten auch Grundstücke in Kombination mit dem eigenen Tiny House an“, berichtet Schleyer. Ansonsten ist der Campingplatz oftmals eine Alternative.

Der Tiny-House-Markt ist derzeit noch recht übersichtlich. Wer sich sein winziges Haus nicht selbst zusammenzimmern möchte, kann sich beispielsweise einem Tiny-House-Verein anschließen, empfiehlt Schleyer. Dort kann die Vernetzung mit Herstellern erfolgen, auch Gespräche mit Kommunen bezüglich Stellplätzen oder Bebauungsplänen können geführt werden.

Tiny Houses kosten zwischen 45.000 und 120.000 Euro

Der Markt selbst bildet sich noch aus. Oft sind es Zimmereien, die Tiny Houses anbieten. Manche haben sich auf ihre Herstellung spezialisiert. Etwas mehr als 50 Hersteller gibt es hierzulande. Vom Rohbau bis zur luxuriösen Vollausstattung wird dabei alles geboten.

Entsprechend variiert der Preis. „Bei den Herstellern geht es mit Tiny Houses bei rund 45.000 bis 50.000 Euro los“, sagt Schleyer. „Der Durchschnitt liegt bei rund 80.000 Euro, ein vollautarkes und hochwertiges Tiny House kostet rund 120.000 Euro.“ Der steigende Holzpreis habe zuletzt die Kosten steigen lassen. Trotzdem sei die Nachfrage groß.

Das ganze Leben auf 15 Quadratmetern: Im Tiny House, hier ein Modell der hessischen Tischlerei Christian Bock, spielt sich das Leben auf kleinem Raum ab.
Das ganze Leben auf 15 Quadratmetern: Im Tiny House, hier ein Modell der hessischen Tischlerei Christian Bock, spielt sich das Leben auf kleinem Raum ab. © epd | Katharina Jaeger/Tischlerei Christian Bock/epd

Der Verbrauch an Grundfläche ist hoch

Aber sind Tiny Houses wirklich gut für die Umwelt? „Unter CO2-Gesichtspunkten sind Mehrfamilienhäuser positiver zu bewerten als Einfamilienhäuser oder auch Tiny Houses“, sagte Julian Bischof, der am Institut Wohnen und Umwelt zum energetisch-ökologischen Stadtumbau forscht, unserer Redaktion. „Bei einem Tiny House ist der Verbrauch an Grundfläche zur Nutzfläche verhältnismäßig groß. Will man Flächenversiegelung reduzieren, hat jedes Stockwerk nach oben einen positiven Effekt“, sagt Bischof.

Auch sei der Lebenszyklus eines Tiny Houses meist geringer, das wirke sich auf die sogenannte graue Energie aus – also die Energie, die beispielsweise quer durch die Lieferkette für die Herstellung und den Transport eines Produkts aufgebracht werden muss.

Tiny Houses gelten früher als abgewohnt

„Wenn ein Tiny House nach 20 Jahren abgewohnt ist und neu gebaut wird, ein normales Haus erst nach 40 Jahren grundlegend saniert werden muss, dann verbraucht das Tiny House nach derzeitigem Stand doppelt so viel graue Energie“, sagt Bischof. Allerdings werde dieser Wert mit der technologischen Entwicklung sinken.

Verbandschefin Schleyer verweist darauf, dass es noch an Erfahrungswerten zum Lebenszyklus der mobilen Häuser fehle. „Wie lange ein Haus hält, hängt davon ab, wie gut es gepflegt und wie oft es bewegt wird“, sagt sie. „Holzhäuser zeigen, dass sie Jahrzehnte in einem guten Zustand erhalten bleiben können. Warum sollte das für ein gut gepflegtes Tiny House anders sein?“

Bei der Nachverdichtung bieten Tiny Houses Chancen

Auch Städtebauforscher Bischof kann den winzigen Häusern viel Positives abgewinnen. „Tiny Houses zeigen, dass kleinere Grundrisse durchaus funktional sind. Wer in einer kleinen Einheit wohnt, kann sich mitunter eher hochwertige und damit langlebigere Baumaterialien leisten.“

Gerade Holz sei ein guter Baustoff, da er langlebig sei und CO2 binde. Und: Je größer der Wohnraum ist, desto mehr Emissionen stößt man in der Regel aus. Tiny Houses bilden dabei eine Alternative – gerade wenn sie zur Nachverdichtung genutzt werden.

Zwar weiß Verbandschefin Regina Schleyer, dass die Winzlinge das Pro­blem der Wohnungsknappheit in den Städten allein nicht lösen können. Aber: „In Städten können Tiny Houses eine Chance sein, wenn man Flächen nutzt, die sonst leer stehen würden. Das können beispielsweise Dächer, Parkhäuser oder auch Straßenräume sein.“ Dann bietet das kleine Wohnen große Chancen.