Berlin. Die Bäder sind wieder offen, doch die Zahl der Nichtschwimmer besorgt Experten. Fähigkeiten und Fitness würden überschätzt.

Es ist heiß, sehr heiß. Endlich haben die Freibäder wieder geöffnet. Zahlreiche Pools und Planschbecken im Garten werden aufgebaut und auch das Meer und Badeseen locken mit Abwechslung im Pandemie-Alltag. Erfrischung und Spaß im kühlen Nass.

Doch gerade nach der langen coronabedingten Badepause, ist die Sorge vor einer Häufung tödlicher Badeunfälle groß. Der Grund: Nach Einschätzung der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) hat sich die Lage mit Blick auf Nichtschwimmer durch die Pandemie noch einmal verschärft.

Die Zahlen zeigen: Mehr als jedes zweite Kind, war beim Verlassen der Grundschule schon vor der Pandemie kein sicherer Schwimmer. Als Folge der Schwimmbadschließungen und fehlenden Ausbildungsmöglichkeiten rechnet die DLRG mit einem weiteren Anstieg schwimmunfähiger Kinder. „Natürlich hat Corona das Ganze noch mal verschärft“, sagte DLRG-Sprecher Achim Wiese gegenüber unserer Redaktion.

Schwimmen ist auch eine Frage von Kraft und Ausdauer

Die Rettungsschwimmer fürchten erhöhte Ertrinkungszahlen – speziell in den Sommermonaten. Erst kürzlich ist ein zehnjähriges Mädchen in der Ostsee ertrunken. Es war beim Schwimmen plötzlich untergegangen und konnte nur noch tot geborgen werden. In einem Bremer Badesee kam für einen 15-jährigen Jungen jede Hilfe zu spät, im Rhein für drei Mädchen – um nur ein paar Beispiel zu nennen.

Unabhängig von den teils gefährlichen Strömungen in Flüssen und im Meer, ist aus Sicht von Wiese „nicht nur das Schwimmen-Können also solches ein Problem, sondern auch die Fitness.“ Schwimm- und Freibäder waren lange geschlossen, auch Vereins- und Schulsport war nicht möglich. „Aber Schwimmen ist eben auch eine Frage von Kraft und Ausdauer“, sagt der DLRG-Sprecher.

Lesen Sie dazu auch: Tod im Wasser – Warum Kinder oft lautlos ertrinken

Dass Kinder, die vor der Pandemie bereits sicher schwimmen konnten, genau das wieder verlernt haben, hält Wiese für unwahrscheinlich: „Grundsätzlich ist Schwimmen wie Fahrradfahren. Das verlernt man nicht.“ Nach einer langen Pause müsse man sich aber erst einmal wieder daran gewöhnen.

Experten warnen: Die Gefahr „Wasser“ werde von vielen noch immer unterschätzt.
Experten warnen: Die Gefahr „Wasser“ werde von vielen noch immer unterschätzt. © istock

Ein Seepferdchen macht noch keinen Schwimmer

Fakt sei aber auch – Pandemie hin oder her: „Ohne das Freischwimmer-Abzeichen, also das Schwimmabzeichen in Bronze, gilt kein Kind, kein Mensch der Welt, als sicherer Schwimmer“, so Wiese. Natürlich müsse man nicht unbedingt das Abzeichen erwerben, die Disziplinen aber meistern. „Wer das nicht kann, den würde ich niemals alleine zum Schwimmen lassen“, warnt Wiese – insbesondere mit Blick auf Kinder und das aktuelle Badewetter.

Wer das Freischwimmer-Abzeichen bekommen möchte, muss dafür neben den Baderegeln folgendes beherrschen:

  • Einen Sprung kopfwärts vom Beckenrand und dann direkt 15 Minuten schwimmen.
  • In dieser Zeit muss er mindestens 200 Meter schaffen – 150 Meter davon in Bauch- oder Rückenlage.
  • Eine Schwimmart – etwa Kraul oder Brustschwimmen – muss dabei klar erkennbar sein.
  • 50 Meter müssen in einer anderen Körperlage zurückgelegt werden.
  • Der Wechsel etwa von Brust- zu Rückenlage muss während des Schwimmens auf der Schwimmbahn erfolgen – ohne Festhalten.
  • Zusätzlich muss ein Gegenstand aus zwei Metern Wassertiefe heraufgeholt werden.
  • Ein Paketsprung vom Startblock oder Einmeterbrett gehört ebenfalls dazu.

Zum Vergleich die Anforderungen für des Seepferdchen:

  • Hier reicht ein Sprung fußwärts vom Beckenrand mit anschließendem Schwimmen in Bauch- oder Rückenlage – für eine Strecke von 25 Metern, in der Grobform. (Beim Schwimmen in Bauchlage muss erkennbar ins Wasser ausgeatmet werden.)
  • Zusätzlich muss ein Gegenstand mit den Händen aus schultertiefem Wasser heraufgeholt werden.
  • Kurze Abfrage der Baderegeln – fertig.

Das Seepferdchen attestiert damit laut Wiese lediglich, dass sich ein Kind „kurzfristig über Wasser halten kann“. Es habe dabei immer im Hinterkopf, dass es, wenn es nicht mehr kann, einfach an den Beckenrand greift. Das ist im Badesee oder Meer schlicht gar nicht möglich.

5453015781001_videostill_1547742925058.jpg
Sicher in der Badesaison- Diese Regeln sollte man kennen

weitere Videos

    Im Wasser: Bei Gefahr immer sofort zugreifen können

    Egal ob absoluter Nichtschwimmer oder Seepferdchen: „Man muss als Elternteil, Erziehungsberechtigter oder Aufsichtsperson im Wasser immer so nah am Kind bleiben, dass man bei einer Gefahrensituation sofort zugreifen, helfen und letztlich sogar retten kann“, mahnt der DLRG-Sprecher.

    Denn im Fall der Fälle muss es schnell gehen. „Ein bis zwei Minuten reichen schon aus, dass ein Bade- oder Planschunfall tödlich enden kann“, sagt Janko von Ribbeck. Der Autor („Schnelle Hilfe für Kinder.“) und ehemalige Rettungssanitäter hat daher selbst kein Planschbecken im Garten.

    „Mir ist das zu gefährlich, weil ich mich kenne. Ich kann nicht den ganzen Tag daneben sitzen und immer mit meiner vollen Aufmerksamkeit beim Kind sein“, so von Ribbeck. Aber schon die kleinste Ablenkung, ob durch ein Mobiltelefon oder ein Geschwisterkind, sei riskant.

    „Selbst ein aufblasbarer Pool, zur Hälfte mit Wasser gefüllt, kann für ein Kind tödliche Gefahr bedeuten“, bestätigt auch Wiese. Planschbecken zu verbannen, soweit würde er aber nicht gehen. Viel zu wichtig sei es, dass kleine Kinder und Babys den Erlebnisraum Wasser frühzeitig kennenlernen. „Natürlich vorausgesetzt das Kind ist auch hier immer in Griffnähe.“

    Prävention: Kinder früh an Wasser gewöhnen

    Damit Kinder bei unerwartetem Kontakt mit Wasser nicht in Panik verfallen, plädieren die Experten dafür, Kinder frühzeitig ans Wasser zu gewöhnen. „Wenn man ins Wasser fällt beispielsweise, hat der Mensch automatisch die Angewohnheit kurz Luft zu holen und anzuhalten“, erklärt der DLRG-Sprecher.

    Eine gute Übung: Wie ein Krokodil mit den Augen über Wasser untertauchen – und blubbern.
    Eine gute Übung: Wie ein Krokodil mit den Augen über Wasser untertauchen – und blubbern. © istock

    „Mit Kindern kann man aber schon in der Badewanne oder unter der Dusche üben, indem man ihnen etwas Wasser ins Gesicht spritzt oder die Kinder wie ein Krokodil mit den Augen über Wasser untertauchen lässt.“ Dabei sollen die Kinder pusten, statt die Luft anzuhalten.

    Wenn Kinder das lernen, wird es laut Wiese irgendwann zum Automatismus. „Sie Atmen bei Wasserkontakt ganz selbstverständlich aus und verhindern so unter Umständen einen Stimmritzenkrampf.“ Dieser macht das Ein- und Ausatmen unmöglich. Außerdem müssten Eltern ihren Kindern schon früh die Chance geben, Schwimmen zu lernen.

    Richtig Schwimmen-Lernen ab einem Alter von fünf Jahren

    Ab einem Alter von fünf Jahren, könne es mit dem Schwimmtraining losgehen. „Dann ist ein Kind in der Lage, das alles motorisch und kognitiv zu verarbeiten“, erklärt Wiese. „Es sind ja verschiedene Dinge, die man gleichzeitig machen muss: Arm-Schwimmbewegungen, Bein-Schwimmbewegung. Und die Atmung muss auch noch passen.“

    Die Wartelisten für Schwimmkurse sind lang – bei einigen Stellen dauert es bis zu zwei Jahre einen Platz zu bekommen. Dennoch rät Wiese Eltern explizit, das Schwimmtraining den Profis zu überlassen: „Diese sind sowohl methodisch als auch didaktisch genau dafür ausgebildet.“

    Andernfalls könnten sich Fehler einschleichen, die sich verfestigen und später nur noch schwer zu korrigieren seien. Zusätzlich seien Kindern beim Schwimmlehrer meist viel motivierter und nähmen Korrekturen besser auf.

    Von speziellen Kursen, in denen bereits Säuglinge lernen sollen, sich eigenständig über Wasser zu halten, hält Wiese jedoch nichts. „Für die Babys ist das ein purer Überlebenskampf.“ Mit solchen Kursen könne man Kindern den Spaß an Wasser nehmen – für das gesamte Leben.