Berlin. Löchriger Schutz, hohe Kosten – Stiftung Warentest hat Restschuldversicherungen getestet – und rät Verbrauchern dabei zur Vorsicht.
Millionen Verbraucher kaufen Autos, Möbel oder Fernseher auf pump. Jeder fünfte Erwachsene in Deutschland leiht sich für den Konsum Geld, um es in Raten samt Zins zurückzuzahlen. Dabei immer im Angebot: eine Restschuldversicherung. Die soll einspringen, wenn der Schuldner stirbt, arbeitsunfähig oder arbeitslos wird und die Raten nicht mehr zahlen kann.
Die Verbraucherschützer von Stiftung Warentest haben jetzt erstmals explizit diese Versicherungen analysiert („Finanztest“ 12/2020). „Um das Ergebnis zu beschreiben reichen zwei Worte“, sagt Projektleiterin Stephanie Pallasch – „löchrig und teuer“.
Was hat Stiftung Warentest untersucht?
Die Verbraucherschützer untersuchten die Restschuldversicherungen von 25 Kreditinstituten. Die Banken kooperieren dabei mit Versicherungsunternehmen. Verträge, die etwa in Möbelhäusern oder beim Kauf von Elektronik abgeschlossen werden, wurden nicht berücksichtigt.
Bewertet wurden die drei versicherten Risiken: Tod, Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit. „Wir wollten wissen, was die Anbieter versprechen, und was sie halten“, sagt Pallasch. Für einen Preisvergleich holten sich die Warentester jeweils ein Angebot über einen Kredit von 10.000 Euro mit einer Laufzeit von 60 Monaten ein.
Wie sind die Ergebnisse?
Der Tod des Versicherungsnehmers wurde in den meisten Fällen sehr gut (18) oder gut (6) abgesichert. Hier gab es den Angaben zufolge nur ein „befriedigend“. Wesentlich schlechter sind die Noten für die Absicherung von Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit.
„Aus unserer Sicht sollte eine Versicherung genau dann zahlen, wenn Menschen so krank sind, dass sie ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen können“, sagt Stephanie Pallasch. Viele Versicherungen aber deckten eher den Fall ab, dass der Versicherungsnehmer berufs- und nicht arbeitsunfähig sei. Die Versicherer können den Kunden oft auf eine andere Tätigkeit verweisen und die Zahlung ablehnen, was laut einem Urteil des Oberlandesgerichts in Hamm bereits 2012 als unangemessene Benachteiligung des Kunden gesehen wurde. „Acht Jahre nach diesem Urteil gibt es diese Vertragsbedingung immer noch“, sagt Pallasch. 15 von 25 Anbietern fielen durch: mangelhaft.
Bei Arbeitslosigkeit zahlen die Versicherer nur, wenn sie unverschuldet ist. Das mag nachvollziehbar sein, so Pallasch, nur zwei der 25 Anbieter aber hätten deutlich darauf hingewiesen. Für mehr als die Hälfte von ihnen gab es nur ein „befriedigend“ oder „ausreichend“, sieben Mal gab es „mangelhaft“.
Laut einer Studie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) kennen viele Versicherungsnehmer die Einschränkungen der Anbieter bei Arbeitslosigkeit nicht: Das galt unter anderem dafür, dass Arbeitslosigkeit bei befristeten Verträgen nicht versichert ist. Oder für den Fall, dass die Arbeitnehmer kürzer als zwölf beziehungsweise sechs Monate bei dem Arbeitgeber beschäftigt waren. „Hier muss es Mängel bei der Beratung geben“, schlussfolgert Stiftung Warentest. Auch interessant: So versichern Sie Kinder gegen Invalidität
Wie waren die Preise?
Der Kreditnehmer zahlt die Versicherungsprämie samt Vermittlungskosten als Einmalbetrag bereits zu Vertragsbeginn. Die Banken erhöhen die Kreditsumme um die Kosten der Restschuldversicherung. Hierdurch steigen auch die Zinsen, die die Kunden an die Bank zurückzahlen müssen. Die Versicherungen, so die Analyse von Stiftung Warentest, können dabei richtig ins Geld gehen: Der Todesfallschutz beim günstigsten Anbieter kostete 128 Euro, beim teuersten 531 Euro. Wer alle drei Risiken absichern wollte, zahlte bei einer Kreditsumme von 10.000 Euro zwischen 764 Euro und 2280 Euro.
„Maßgebend für die Kreditkosten ist der effektive Jahreszins“, sagt Stefanie Pollasch. Werde eine Restschuldversicherung abgeschlossen, sollten diese Kosten dort mit eingerechnet werden, was bisher nicht geschehe. Dann nämlich könnten Verbraucher erkennen, dass im Fall des teuersten Anbieters der effektive Jahreszins für den Kredit bei der Absicherung aller Risiken von 2,89 auf 12,3 Prozent steigt. Ob die Versicherung dann noch abgeschlossen werden würde, sei fraglich. Auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) kann den Restschuldversicherungen wenig abgewinnen. Er nennt sie überteuerte Produkte mit lückenhaftem Schutz.
Welche weiteren Kritikpunkte gibt es?
Laut Studie der Bafin wussten viele Verbraucher auch nicht, dass eine Restschuldversicherung freiwillig ist. Die meisten gaben an, dass sie ohne Versicherung den Kredit gar nicht bekommen hätten. Das aber stimmt nicht. Die Verträge seien voneinander unabhängig. Auch hier vermuten Verbraucherschützer Mängel bei der Beratung. Lesen Sie dazu auch: 14 Versicherungsirrtümer, die richtig teuer werden
Was sagen die Banken?
Der Bankenfachverband hat Verbreitung und Akzeptanz in einer eigenen Studie untersuchen lassen. Demnach haben 27 Prozent der Ratenkreditnehmer eine Restschuldversicherung, die meisten (86 Prozent), um sich für den Fall des Versterbens abzusichern. Den Angaben zufolge seien die meisten Kunden mit den Anbietern zufrieden gewesen, etwa drei von vier.
„Die Finanzierungs- und Versicherungsbranche hat die Restkreditversicherung in den vergangenen Jahren im Interesse der Verbraucher weiter verbessert“, erläutert Geschäftsführer Jens Loa. Der Bankenfachverband habe 2019 einen Sieben-Punktekatalog ins Leben gerufen, um die Transparenz der Versicherung und die Kundenfreundlichkeit weiter zu erhöhen. Die Ergebnisse der Analyse von Stiftung Warentester lassen darauf schließen, dass dieser Katalog noch nicht abgearbeitet worden ist.
Kann ich eine Versicherung kündigen?
Die Kreditversicherung kann bis zu 30 Tage nach dem Abschluss gekündigt werden. Und auch danach kann der Vertrag zu den vereinbarten Bedingungen und Fristen aufgelöst werden. Das hat keine Auswirkung auf den Kreditvertrag. „Allerdings nehmen viele Anbieter hier eine Stornogebühr“, sagt Stephanie Pallasch.
Was rät Stiftung Warentest?
Zunächst sollten Verbraucher die Kreditkosten mit und ohne Versicherung vergleichen – für Gesamtkreditsumme, Ratenhöhe und den effektiven Jahreszins. Wer Erspartes hat oder eine Lebensversicherung, die den Todesfall abdeckt, sollte sehr gut abwägen, ob er eine Restschuldversicherung überhaupt braucht.
Darüber hinaus sollten Verbraucher im Versicherungsfall schnell ihren Anbieter informieren. „Es kann sein, dass bei verspäteter Meldung keine rückwirkenden Zahlungen geleistet werden“, so Stiftung Warentest.
Übrigens: Laut Zahlen der Bundesregierung tritt der Versicherungsfall eher selten ein. Im Jahr 2015 haben die Restschuldversicherer nur bei etwa 0,3 Prozent der bestehenden Verträge die Kreditraten übernommen.