Berlin. Dekorieren, backen, Geschenke – trotz Pandemie bleiben bei vielen die Ansprüche hoch. Expertinnen geben Tipps für entspannte Feiertage.

Weihnachten gilt als Fest der Besinnlichkeit. Viele freuen sich das ganze Jahr über auf erholsame Tage im Kreise der Familie, bei Kerzenschein, leckerem Essen und entspannter Stimmung. Nur arten die Vorbereitungen und Feiertage häufig in Hektik und Stress aus. Von Erholung keine Spur.

„Dabei bietet gerade dieses Jahr die Chance, endlich einmal ein ruhiges Weihnachten zu verbringen“, glaubt Andrea vorm Walde, Therapeutin, Coach und Heilpraktikerin für Psychotherapie.

Corona-Beschränkungen können Familienfeier entzerren

Denn die Auflagen zur Eindämmung des Coronavirus, darunter auch weiterhin strenge Kontaktbeschränkungen, müssen die Planung und das Fest selbst nicht zwingend verkomplizieren. Vielmehr könnten sie die Feierlichkeiten entzerren und dadurch entschleunigen.

Zwar haben Bund und Länder am Sonntag leichte Lockerungen für Heiligabend und die beiden Feiertage verkündet. Demnach sind dann Treffen mit vier über den eigenen Hausstand hinausgehenden Personen zuzüglich Kinder im Alter bis 14 Jahre aus dem engsten Familienkreis erlaubt. Dennoch wird die Zusammenkunft zumeist deutlich kleiner ausfallen müssen als gewohnt.

Besonders für Großfamilien, bei denen oft mehrere Haushalte zusammenkommen, mag das ungewohnt sein. Gleichzeitig müssen Gastgeberinnen und Gastgeber so womöglich auch weniger kochen, backen und dekorieren. Der vorweihnachtliche Druck sinkt. Und davon profitiert auch die Psyche, sagen Expertinnen und Experten.

Weihnachten in Harmonie statt voller Stress: Wer  Aufgaben vor dem Fest verteilt, bleibt nachher gelassener.
Weihnachten in Harmonie statt voller Stress: Wer Aufgaben vor dem Fest verteilt, bleibt nachher gelassener. © iStockphoto | AleksandarNakic/iStockphoto

Feiertagsstress kann krank machen

Nun verlangt die Corona-Pandemie von vielen aber bereits vor den Weihnachtsfeiertagen einiges an kommunikativem Geschick. Wie erkläre ich, dass ich den Familienkreis an Heiligabend klein halten möchte? Und wie sage ich die Einladung meiner Eltern ab, ohne sie zu kränken?

Grundsätzlich hat jeder das Recht, selbst zu entscheiden, wie er mit der aktuellen Situation umgeht, betont vorm Walde. Wer sich an Kontaktbeschränkungen hält, bräuchte sich dafür keineswegs entschuldigen. Denn es gelte weiterhin, vor allem ältere Menschen vor einer möglichen Infektion zu schützen.

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Corona: Weihnachtstreffen per Videochat? Warum nicht!

Wer Weihnachten deshalb nicht mit der Familie verbringen möchte, kann ihr stattdessen ein liebevoll verpacktes Paket zukommen lassen, sagt vorm Walde. Grundsätzlich muss man das Beisammensein nicht komplett absagen, rät Entspannungscoach Diana Schon-Rupp. Man könne es stattdessen neu denken: Indem sich Familien per Videochat verabreden, um gemeinsam Weihnachtslieder zu singen. „Oder ein Familienfest für die Zeit nach Corona planen. Zum Beispiel für den Sommer.“

Doch auch, wenn dieses Jahr das Fest bei den meisten wohl etwas kleiner ausfällt – der Stress bleibt. Denn Fest ist Fest. Und dieser Stress, den viele vor den Feiertagen verspüren, ist vor allem dem oft hohen Anspruch an uns selbst geschuldet, sagt vorm Walde. Hinzu käme häufig auch eine übersteigerte Erwartungshaltung von Familienmitgliedern und Freunden. An ein idyllisches Fest, ein mehrgängiges Weihnachtsessen oder besonders kreative Geschenke.

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Gesundheit: So machen sich Stresshormone im Körper bemerkbar

Sich von der Idee eines perfekten Weihnachten, einschließlich Harmonie um jeden Preis, zu lösen, sei essenziell, um entspannt durch die Feiertage zu kommen. Denn dem eigenen Perfektionismus und dem Anspruch anderer gerecht werden zu wollen, kann der Gesundheit schaden.

Grund dafür sind Stresshormone, die Stoffwechselprozesse im Körper beeinflussen. Ihretwegen verringert dieser während hektischer Phasen beispielsweise seine Verdauungstätigkeit. So stellt der Organismus sicher, dass die Muskulatur mit genügend Energie versorgt werden kann. Häufig flacht stressbedingt auch der Atem ab. Dadurch gelangt weniger Sauerstoff ins Gehirn, die Gedächtnisleistung sinkt.

Selbst die Körperhaltung kann unter Dauerstress leiden, warnt die AOK. Denn häufig spannen Betroffene in hektischen Zeiten Schulter-, Nacken- und Rückenmuskulatur an. „Selbst Kinder leiden bereits unter Stresssymptomen, weil die Erwartungen ihrer Eltern an sie so hoch sind“, warnt vorm Walde.

Weihnachten: Aufgaben abgeben ist unabdingbar

Wie also vermeidet man Stress und kommt möglichst erholt durch die Weihnachtszeit? „Wichtig ist, den eigenen Energiehaushalt, gerade zum Ende des Jahres hin, gut einzuteilen“, rät Diana Schon-Rupp. Aufgaben abzugeben, sei dabei für viele die größte Herausforderung. Aber unabdingbar. Oft würden gerade Frauen dazu neigen, sich alle Arbeit aufzuhalsen.

Weihnachten sei aber ein Familienfest und sollte deshalb auch gemeinschaftlich organisiert werden. Sie empfiehlt Familien und Partnern deshalb, sich bereits mehrere Wochen vor dem Fest zusammenzusetzen, um Aufgaben wie Einkauf, Dekoration oder Plätzchenbacken fair aufzuteilen. „So sitzt man am Ende nicht total erschöpft unterm Weihnachtsbaum.“

Stress: Für die Familie sorgen kann nur, wer auf sich selbst achtet

Ein weiterer Tipp der Expertinnen: Lernen, Nein zu sagen. Während der Feiertage fällt das einigen Menschen aber besonders schwer. Und das hat viel mit Konditionierung zu tun, weiß Schon-Rupp. Die Weihnachtsfeiertage seien mit sehnsüchtigen Erinnerungen verknüpft. Hinzu käme, dass jede Familie eigene Regeln und Traditionen hätte. Mit diesen zu brechen, sei herausfordernd.

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Denn viele fürchten dann den Widerstand ihrer Familie. „Dahinter verbirgt sich auch der Glaubenssatz, dass man an Weihnachten für andere da zu sein hat“, so vorm Walde. Für die Familie sorgen könne aber nur, wer auch auf sein eigenes Wohlergehen achte. Dazu gehöre, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse zu kennen und klar zu kommunizieren. Auch bei Gegenwind. „Wir müssen lernen, dass man nicht immer einer Meinung sein kann.“

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Advent: Kurze Auszeiten im Weihnachtstrubel nehmen

Wem die Hektik an den Feiertagen selbst zu viel wird, sollte versuchen, sich Freiräume zu schaffen. Bereits kurze Auszeiten vom Weihnachtsrummel könnten helfen, sagt vorm Walde. Freilich sollt man die auch Familienmitgliedern zugestehen.

„Jeder sollte die Möglichkeit haben, sich zurückzuziehen, wenn der Trubel zu viel wird. Vielen reicht es da schon, mal allein eine Runde spazieren zu gehen, ein Buch zu lesen oder einen Mittagsschlaf zu machen“, erklärt die Entspannungsexpertin. „Es ist völlig okay, nicht drei Tage am Stück rund um die Uhr mit der Familie zusammen sein zu wollen.“

Familie: Konflikte lieber entspannt im Sommer lösen

Denn Weihnachten birgt auch Konfliktpotenzial. Wenn Verwandte, die sich oft nur wenige Male im Jahr sehen, gleich mehrere Tage miteinander verbringen, ist das erst einmal ungewohnt. Diese angespannte Situation führt oft dazu, dass Familien ihre Konflikte ausgerechnet an den Feiertagen austragen.

Dabei sei es besser, Streitfragen zu vertagen, sagt Entspannungscoach Schon-Rupp. „Konfliktthemen sollen natürlich besprochen werden. Aber zu einem späteren Zeitpunkt. Zum Beispiel im Sommer“, empfiehlt sie. In einem entspannten Umfeld ließen sich Streitigkeiten oft viel nachhaltiger lösen.

Konflikte kann es auch beim Thema Geschenke geben: Klare Kommunikation über Geschenke hilft, Enttäuschungen zu vermeiden, sagt Psychologe Fritz Propach.

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So vermeide man auch, in eine Spirale „gleichwertiger Geschenke“ zu geraten, die immer höhere Summen und wertvollere Präsente nach sich zieht. Wem ein Geschenk nicht gefällt, solle das offen kommunizieren. Zum Beispiel, indem man einen anderen, bezahlbaren Wunsch äußert. Das helfe, auf beiden Seiten Enttäuschungen zu vermeiden.

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