Teil 2: Der Bundestag hat eine Erhöhung der Zuschüsse aus der Pflegekasse von Januar an beschlossen. Doch die Bestimmungen sind kompliziert. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Hamburg. Mit der Pflegeversicherung sollte man sich vertraut machen, solange man gesund ist. Die Devise heißt deshalb: sich sachkundig machen, zum richtigen Zeitpunkt den Antrag stellen und kein Geld verschenken. Der Bundestag hat mit dem Pflegestärkungsgesetz zahlreiche Verbesserungen ab 2015 beschlossen.
Mit einer vierprozentigen Erhöhung der Zuschüsse von der Pflegekasse können alle Versicherten rechnen, die zu Hause von Angehörigen oder einem Pflegedienst betreut werden oder im Altenheim leben. Außerdem verbessern sich die Leistungen für Demenzkranke, die Tagespflege wird besonders gefördert und auch bei behindertengerechten Umbauten innerhalb der Wohnung gibt es wesentlich mehr Geld.
In welchen Fällen gibt es Leistungen aus der Pflegekasse?
Pflegebedürftig im Sinne des Gesetzes sind Personen, die aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit beziehungsweise Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens Hilfe in erheblichem oder höherem Maße benötigen. Diese Hilfe bei der Grundpflege (Körperpflege, Ernährung oder Mobilität) muss auf Dauer, mindestens jedoch für sechs Monate erforderlich sein. Wer dabei mindestens 46 Minuten pflegerische Unterstützung benötigt, erhält die Pflegestufe 1.
Was müssen die Versicherten tun?
Ein Anruf bei der Krankenkasse genügt, um einen Antrag auf Leistungen aus der Pflegekasse anzufordern. Dieser kommt mit der Post und muss unterschrieben zurückgeschickt werden. Innerhalb von zwei Wochen meldet sich ein Mitarbeiter vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK), um den Betroffenen zu begutachten. Dieser Termin dauert etwa eine Stunde und findet vor Ort statt. Danach wird ein Gutachten mit einer Empfehlung erstellt und die Pflegekasse entscheidet, ob eine Pflegebedürftigkeit vorliegt.
Welche Voraussetzungen gibt es für eine Pflegestufe?
Für die Pflegestufe 1 ist mindestens einmal täglich bei zwei Verrichtungen der Grundpflege (Körperpflege, Ernährung, Mobilität) ein Unterstützungsbedarf nötig. Dabei werden mindestens 46 Minuten pro Tag benötigt.
Um die Pflegestufe 2 zu erhalten, muss mindestens dreimal täglich bei der Grundpflege ein Hilfebedarf bestehen. Es sind täglich mindestens 120 Minuten Pflege nötig.
Für die Pflegestufe 3 muss rund um die Uhr, auch nachts, bei den Verrichtungen der Grundpflege ein Hilfebedarf bestehen. Dafür sind täglich mindestens 240 Minuten Hilfe erforderlich.
Wie setzen sich diese Pflegezeiten zusammen?
Der MDK-Gutachter hat einen Fragebogen, in dem er am Tag der Begutachtung alle relevanten Pflegezeiten erfragt und erfasst. Darin stehen auch Richtwerte, wie viele Minuten er zum Beispiel für das Duschen (15 bis 20 Minuten), Kämmen (1 bis 3 Minuten) oder Ankleiden (8 bis 10 Minuten) anerkennen darf. Neben den Pflegetätigkeiten, die ein Angehöriger voll übernimmt, zum Beispiel das Kämmen, werden auch die Zeiten anerkannt, in denen eine Beaufsichtigung oder Anleitung notwendig ist.
Ab wann zahlt die Pflegeversicherung?
Vom Anruf bei der Krankenkasse über den Termin zur Begutachtung durch einen MDK-Mitarbeiter bis zur Anerkennung einer Pflegestufe vergehen mehrere Wochen. Die Leistungen der Pflegeversicherung werden rückwirkend ab dem Tag gezahlt, an dem der Antrag unterschrieben wurde.
Antrag abgelehnt – was tun?
Wenn der Versicherte mit der Entscheidung der Pflegekasse über Leistungen aus der Pflegeversicherung nicht einverstanden ist, kann er dagegen Widerspruch einlegen. Dieser muss innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Pflegestufe schriftlich bei der Pflegekasse erhoben werden.
Der Versicherte hat einen Anspruch darauf, in die Akten der Pflegekasse Einsicht zu nehmen, insbesondere in das MDK-Gutachten. Dies ergibt sich aus § 25 SGB X (Sozialgesetzbuch, 10. Buch). Nur so kann der Widerspruch sinnvoll begründet werden. Es reicht also, zunächst Widerspruch innerhalb der vorgegebenen Frist einzulegen und gleichzeitig das Gutachten anzufordern. Die Begründung kann dann nachgereicht werden.
Sollte die Pflegekasse an ihrer ursprünglichen Entscheidung festhalten, muss sie einen schriftlichen Widerspruchsbescheid erlassen. Darin müssen eine Begründung für die Zurückweisung des Widerspruchs und eine Belehrung über die Möglichkeit einer Klage vor dem Sozialgericht enthalten sein.
Was zahlt die Pflegeversicherung?
Wird ein ambulanter Pflegedienst beauftragt, rechnet er diese Sachleistungen direkt mit der Pflegekasse ab, und zwar bis zur maximalen Zuschusshöhe der jeweiligen Pflegestufe. Leistungen, die darüber hinausgehen, muss der Versicherte selbst zahlen. Neuerdings zahlt die Pflegekasse bereits für demenzkranke Personen, obwohl diese im Sinne der Pflegeversicherung nicht pflegebedürftig sind. Außerdem sind die Zahlungen für die Pflegestufen 1 und 2 höher als bei Versicherten ohne Demenz.
Bei den Geldleistungen soll pflegenden Angehörigen, Nachbarn und Freunden eine materielle Anerkennung für ihren Einsatz zukommen. Dem Versicherten, der abhängig von der Pflegestufe ist, wird der Zuschuss in voller Höhe überwiesen. Auch bei den Geldleistungen wird zwischen Versicherten mit und ohne Demenz unterschieden. Die Zuschüsse im Alten- und Pflegeheim werden zum Januar 2015 um vier Prozent erhöht.
Was sind „niedrigschwellige Angebote“?
Die Betreuung eines Pflegebedürftigen reduziert sich nicht nur auf die Körperpflege, das An- und Ausziehen und Zubereiten der Mahlzeiten. Oft sind Ehepartner oder Kinder den ganzen Tag über damit beschäftigt, den Betroffenen zu beaufsichtigen, ihn zu unterhalten oder für Anregungen zu sorgen. Doch auch die Angehörigen brauchen Pausen von diesem harten 24-Stunden-Job. Deshalb stellt die Pflegeversicherung Geld zur Verfügung, um sogenannte „niedrigschwellige Angebote“ zur Entlastung bezahlen zu können.
Das Geld kann für professionelle Betreuung ausgegeben werden, zum Beispiel für tagesstrukturierende Maßnahmen eines Pflegedienstes oder für den Eigenanteil bei der Kurzzeit- oder Tagespflege. Der Betreuungsbetrag wird nur gegen Vorlage einer Rechnung von der Pflegekasse erstattet. Jeder Pflegebedürftige mit den Pflegestufen 1 bis 3 hat Anspruch auf einen Betreuungsbetrag in Höhe von monatlich bis zu 104 Euro.
Bei Demenzpatienten werden diese 104 Euro schon ab der Pflegestufe 0 bewilligt. Bei einem Patienten mit Demenz und einem erhöhten Betreuungsbedarf wird der Betreuungsbetrag für „niedrigschwellige Angebote“ sogar auf bis zu 208 Euro angehoben.
Was zahlt die Pflegekasse für den behindertengerechten Umbau meiner Wohnung?
Wenn die körperliche Bewegungsfreiheit nachlässt, merkt man schnell, wie mühsam es sein kann, die Wohnung oder das eigene Haus zu nutzen. Es ist nicht mehr möglich, allein zu duschen, da der Einstieg in die Badewanne mittlerweile zu hoch geworden ist. Das Bad und das Schlafzimmer im ersten Stockwerk sind nur über eine Treppe zu erreichen, die man nicht mehr sicher herauf- und herunterkommt. Hier gilt es, Abhilfe zu schaffen. Zusätzliche Einbauten wie ein Treppenlift, die Umgestaltung des Badezimmers mit einer Dusche oder die Verlegung ins Erdgeschoss kosten Geld. Wenn eine Pflegestufe vorhanden ist, zahlt die Pflegekasse einen Zuschuss. Unter Berücksichtigung einer angemessenen Eigenbeteiligung werden bis zu 4000 Euro pro Maßnahme bezahlt.
Gibt es auch zinsgünstige Darlehen bei einem seniorengerechten Umbau?
Die Kreditanstalt für Wiederaufbau fördert den altersgerechten Umbau mit zinsgünstigen Krediten, um unabhängig von Alter und Einschränkung eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen. Dazu zählen alle Maßnahmen zur Reduzierung von Barrieren in der Wohnung, im Wohngebäude und im Umfeld. Privatpersonen oder Mieter können mit schriftlicher Zustimmung des Vermieters 100 Prozent der förderfähigen Kosten, maximal 50.000 Euro pro Wohneinheit, beantragen. Die Baumaßnahme darf auch hier erst beginnen, nachdem der Antrag genehmigt worden ist. Die Zinsen beginnen ab 1,6 Prozent per anno. Ein Antrag auf Leistungen des KfW-Förderbank-Programms Nr. 155 erfolgt immer über die eigene Hausbank.
Hilfreiche Internetadressen: www.online-wohn-beratung.de, www.nullbarriere.de, www.kfw.de