Auch beim Wein setzen immer mehr Kunden auf ökologische Erzeugung. Sie verbinden damit gute Qualität und Umweltschutz. Die Vielfalt wächst.
Mainz. Immer mehr Winzer wirtschaften in Weinberg und Keller ökologisch oder biodynamisch. Dass die Weine „öko“ schmecken, ist passé. Der international renommierte Weinkritiker Stuart Pigott ist überzeugt, dass Qualitätsargumente gegen Biowein nicht mehr greifen. „Auch sehr etablierte Weingüter mit super Ruf machen mit“, sagt er. „Die Qualität wird immer besser, weil auch die kleinen Ökobetriebe lernen.“ Von der Ernte 2012 an gilt das grüne, lindenblattförmige EU-Bio-Logo nun offiziell auch für Biowein.
„Bio ist mittlerweile ein Zusatznutzen, den der Verbraucher mit einkauft. Er verbindet mit dem Begriff eine höherwertige Qualität und will dadurch ein Stück weit zu einer umweltschonenden Produktion von Lebensmitteln beitragen“, sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut in Mainz. Von der Biobegeisterung profitieren zunehmend auch die Ökowinzer. In Deutschland werden inzwischen 5400 Hektar Rebfläche von etwa 800 Weingütern ökologisch bewirtschaftet, darunter
29 Mitgliedsbetriebe des Verbands Deutscher Prädikatsweingüter (VDP). „Das entspricht einem Anteil von mehr als fünf Prozent der Gesamtrebfläche.“ Seit 2006 habe sich die Fläche verdoppelt.
Viele Betriebe befinden sich noch in der Umstellung auf Bio, die drei Jahre dauert, – oder sie sind kurz davor. Auch beim VDP überlegen etliche, ob sie ihre naturverbundene Arbeitsweise mit einem Bio-Logo anerkennen lassen sollen. „Da ist in den letzten Jahren sehr viel Bewegung hineingekommen“, sagt VDP-Geschäftsführerin Eva Raps.
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Auch alle anderen großen Weinnationen öffnen sich diesem Trend. „Ökologisch erzeugte Weine spielen in der internationalen Weinwelt eine immer größere Rolle“, sagt Ralph Dejas von Ecovin. Der 1985 gegründete Verband ist auf Ökoweinbau spezialisiert. Bioweine sind aber auch an den Logos von Demeter, Bioland oder Naturland zu erkennen. Bei den vier Verbänden kann ein Weingut seine Produktion nach strengen ökologischen Kriterien zertifizieren lassen. Es gibt aber auch Weinbauer, die nach den EU-Richtlinien für Biolebensmittel arbeiten und keinem dieser Verbände angehören.
Ziel der Ökowinzer ist es, das Ökosystem Weinberg zu erhalten. Sie verzichten auf Pestizide und naturfremde synthetische Pflanzenschutzmittel. Sie schützen ihre Reben, indem sie Nützlinge aus der Tierwelt fördern und unter anderem pflanzenstärkende Pflegemittel wie Backpulver, Schafgarbe oder Schachtelhalm einsetzen.
Auch bei der Wahl seiner Rebsorten muss der Ökowinzer ein feines Gespür haben. „Sorten mit hoher Pilzempfindlichkeit sind schwierig für uns“, sagt Hans-Peter Trautwein, Winzersprecher von Demeter. In vielen Bio-Weinbergen stehen deshalb pilzresistente Züchtungen wie Johanniter, Solaris, Saphira oder Seyval blanc für Weißwein. Beim Rotwein sind es zum Beispiel Regent oder Maréchal Foch.
Kunstdünger ist tabu, stattdessen wird organischer Dünger verwendet. „Wir fördern so den Dialog von Rebe und Boden viel mehr, als wenn wir mineralisch düngen würden“, sagt Lotte Pfeffer-Müller vom VDP-Weingut Brüder Dr. Becker im rheinhessischen Ludwigshöhe. Nach Ansicht der Vorsitzenden von Ecovin ist dies allein der Weg, „um das Essenzielle des Terroirs, das, was die Traube aus dem Boden mitgenommen hat“, in die Flasche zu bekommen.
Baut ein Winzer seinen Wein biodynamisch an, gelten zusätzliche Regeln – etwa der Einsatz spezieller Präparate wie Hornkiesel oder Kuhmist in homöopathischen Dosen. Dazu wird zum Beispiel „das pulverisierte Quarz in ein Kuhhorn gefüllt und von Frühjahr bis Herbst im Boden eingegraben, damit es kosmische Kräfte speichert“, erläutert Friedemann Wecker vom Fachbereich Wein bei Demeter. Im Herbst ausgegraben, wird der feine Holzkiesel in Wasser rhythmisch verrührt und im Weinberg in feinen Tröpfchen verspritzt. Für die Arbeit gibt es feste Termine, die sich nach den Mondphasen richten.
Beim Geschmack der Ökotropfen sind sich alle einig: Frucht und Säure sind aufgrund der naturnahen Herstellung meist bestens ausbalanciert. Die Weine überraschen oft durch ihre Vielfalt an Aromen, in denen sich ihre Herkunft, der Boden und ihre Weinlage spiegeln. „Ich sehe keinerlei Qualitätsargumente mehr gegen Bioweine“, betont der Weinkenner Stuart Pigott.
Bisher gab es nur EU-Standards für den Anbau im Ökoweinberg, seit Anfang Februar liegen nun auch EU-Richtlinien für den Kellermeister vor. Von der kommenden Lese an kann dann offiziell „Biowein“ mit dem EU-Bio-Logo auf der Flasche stehen. „Damit herrscht Klarheit“, urteilt Ralph Dejas. „Wer den Begriff ’Bio’ verwenden will, der muss sowohl im Keller als auch im Weinberg ökologisch arbeiten.“
Die neuen Vorgaben legen bestimmte Produktionsverfahren und Zusatzstoffe für Ökoweine fest. Verboten ist zum Beispiel der Konservierungsstoff Sorbinsäure. Aber weiterhin kann mit Schwefeldioxid (SO2) konserviert werden, allerdings in geringerer Menge als bei herkömmlichem Wein.
Die deutsche Branche steht dem EU-Siegel weitgehend gelassen gegenüber. „Unsere Bestimmungen, sei es von Demeter oder Ecovin, sind weitaus strenger“, sagt Paulin Köpfer vom Weingut Wilhelm Zähringer im badischen Heitersheim.
Ernst Büscher sieht die Ökowinzer als „Vorreiter im Weinbau“. Viele ihrer Methoden seien heute auch Standard bei konventionellen Betrieben – beispielsweise der Einsatz von nützlichen Insekten, um Schädlinge zu bekämpfen oder auch Rebzeilen zu begrünen. „Viele arbeiten ökologisch, ohne sich zertifizieren zu lassen“, sagt er. Das geschieht nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Erwägungen, um sich die Hintertür offenzulassen, im Notfall konventionell spritzen zu können.