Paris, Mailand, New York war gestern. Wer unbedingt viel Geld für einen Luxusartikel ausgeben will, kann das heute auch vom Wohnzimmer aus im Netz tun.

Hamburg. Die neue Jil Sander-Boutique liegt nur einen Mausklick entfernt. Zum Kleid von Prada führt eine Suchmaschine. Und die Frage, ob Schuhe von Jimmy Choo oder doch lieber von Christian Louboutin wird ganz entspannt auf der Wohnzimmercouch entschieden. Immer mehr Luxusmarken entdecken das Online-Geschäft. Dabei galt dieses Segment mit seinem Exklusivitätsanspruch und der Beratungsintensität lange als ungeeignet für den Handel über das Internet.

Heute bekommt man im Netz praktisch alles, wofür man früher nach New York, Mailand oder wenigstens Berlin oder Hamburg reisen musste. Über einen Link auf der eigenen Homepage vertreiben viele Designer zumindest einen Teil ihrer Kollektion. Auf gleich mehrere der edlen Labels lässt sich über virtuelle Markenhäuser wie Net-a-porter oder Stylebop zugreifen. Sie konkurrieren dabei mit den zunehmenden Online-Aktivitäten real existierender Nobelboutiquen. Und selbst das Outlet, die Vertriebsform für Restposten, findet sein Äquivalent im Internet.

Noch vor wenigen Jahren erntete Kopfschütteln, wer solche Ideen öffentlich machte. Zwar hat der Versandhandel mit Bekleidung in Deutschland eine lange Tradition. Doch in den gedruckten Katalogen gab es eben keine Luxusware. Dass zu Beginn des Jahrtausends der erste groß aufgezogene Designermode-Onlineshop pleiteging, kaum dass das neue Phänomen bekannt geworden war, schien die Skeptiker zu bestätigen. „Als ich anfing, hieß es, allenfalls Accessoires könne man erfolgreich über das Internet verkaufen“, erinnert sich Mario Eimuth, der 2004 Stylebop ins Leben rief und seither von München aus die Kollektionen hochwertiger Marken anbietet. Doch inzwischen werden selbst teuerste Kaschmirpullover oder aufwendige Abendkleider per Kurier in jeden Winkel der Welt geschickt. Darin kann man natürlich einen Widerspruch zum elitären Grundgedanken von Luxus sehen. Eimuth nennt es lieber einen großen Demokratisierungsprozess.

Wie bei jedem anderen im Internet vertriebenen Produkt liegt auch in der Designermode der größte Vorteil in der ständigen Verfügbarkeit der Ware. Ein Online-Shop hat 24 Stunden geöffnet. Er liefert nach Hause oder ins Büro. Und er ermöglicht auch Frauen und Männern in kleineren Orten Zugriff auf eine Mode, der sonst nur mit zeitraubenden Reisen verbunden wäre. Doch es gibt auch Handicaps. „Der Faktor Emotionalität ist der größte Nachteil und zugleich die größte Herausforderung des Online-Geschäfts“, gesteht Benjamin Günther, einer der vier Gründer der Suchmaschine Stylight, die mehrere Internet-Shops unter Berücksichtigung diverser Kaufkriterien durchforstet. Zwar lässt sich die Atmosphäre eines von einem Starinnenarchitekten eingerichteten realen Flagship-Stores nicht am Bildschirm simulieren, doch wissen die Anbieter um die Bedeutung von Gefühl und Sinnlichkeit beim Einkauf.

So gehört eine aufwendige, hochwertige Verpackung heute zum Standard. Hinzu kommen umfangreiche Servicepakete. Die reale Verkäuferin etwa wird durch per Email oder Telefon erreichbare Stylisten ersetzt. Was nicht gefällt oder nicht passt, kann kostenfrei zurückgegeben werden. Die Quote liegt hier immerhin bei 25 Prozent aufwärts. Was übrigens ein eher deutsches Phänomen ist, wie Benjamin Günther beobachtet hat. In anderen Ländern wird, vor allem wenn es ein Schnäppchen war, eher versucht, das Gekaufte im Freundeskreis weiterzureichen. "Wir haben mittlerweile ganz andere technische Möglichkeiten, die Ware im Internet zu präsentieren“, zieht Mario Eimuth einen Vergleich von den heutigen Erfolgsgeschichten zu den einstigen Flops. Stylebop etwa liefert drehbare, dreidimensionale Ansichten eines Kleidungsstückes. Bei Net-a-porter lassen sich zu vielen Modellen kleine Videosequenzen mit einem Model abspielen. Schon bald, da sind sich die Experten einig, wird der Kunde selbst virtuell anprobieren können. Erste Versionen laufen bereits, so auf der Homepage des Sonnenbrillenhersteller Ray Ban.

Dank der neuen Smartphones, die mobiles Telefonieren mit einem mobilen Internet-Zugang kombinieren, löst sich der Konsum nun auch noch von seinen letzten räumlichen Fesseln. Spezielle Anwendungen für diese Formate sind der neueste Trumpf im Buhlen um die Kundschaft. Über Apps lässt sich zum Beispiel die Herkunft eines Kleidungsstückes orten, das man irgendwo auf der Straße gesehen und abfotografiert hat. Oder es gibt einen exklusiven Zugang zu limitierten Editionen einzelner Modehäuser. Wo das alles einmal enden wird, weiß noch keiner. Natalie Massenet, die Frau hinter Net-a-porter, prophezeite einmal die allmähliche vollständige Auflösung des stationären Handels. Andere sprechen lieber von einem Nebeneinander der verschiedenen Möglichkeiten. Schließlich sei das Bummeln in der Innenstadt ja auch so etwas wie ein sozialkulturelles Event.