Philipsburg/Hamburg. In diesem Winter hat Sea Cloud Cruises ein neues Themen-Konzept für die Karibik ausprobiert. Ziel ist, ein jüngeres Publikum anzulocken.
Besser passt wohl keiner ihrer Songs zu dieser Reise mit der „Sea Cloud Spirit“ Anfang Dezember in der Karibik. „Won‘t forget these days, and I never thought I would.” Auf deutsch: „Werde diese Tage nicht vergessen, und ich hätte nie gedacht, dass ich es tun würde.“
Kai Wingenfelder und Christof Stein-Schneider von der Kult-Band Fury in the Slaughterhouse sitzen auf Hockern an der Bar auf dem Lido-Deck des Großseglers und geben gerade ihr zweites gut einstündiges Konzert auf dieser Kreuzfahrt mit rund 100 Passagieren, die vor einigen Tagen auf Sint Maarten begonnen hatte und sich nun langsam dem Ende nähert. Das beseelte Publikum singt begeistert den Refrain mit und lässt sich dabei noch einmal die Highlights der vergangenen Tage durch den Kopf gehen. Und das sind ziemlich viele.
Kreuzfahrt: Mehr Musik auf der „Sea Cloud Spirit“ in der Karibik
Um zu verstehen, was diese Reise so besonders macht, hilft zunächst ein Blick zurück. Es ist Anfang Juli, das 138 Meter lange Schiff hat gerade in Hamburg an der Überseebrücke angelegt. Auf Bitte der Reederei sind zwei Musiker und ein bekannter Radiomoderator an Bord gekommen, die ebendort einige Monate später für die richtige Stimmung sorgen und das neue Konzept „Songs ‚N‘ Sail“ mit Leben füllen sollen. Erdacht wurde das Format von Uwe Bahn, der im Radio seit seinem Abschied von NDR 2 exklusiv für Antenne Bayern sowie seinen eigenen „Better Life“-Podcast am Start ist, aber schon seit vielen Jahren zudem die Themen Musik und Kreuzfahrt immer wieder erfolgreich zu verbinden weiß.
Bahn, auch Co-Autor des vom Abendblatt verantworteten „Kreuzfahrt Guide“, hat schon zusammen mit Udo Lindenberg „Mein Schiff“ zum „Rockliner“ gemacht, auf der MS „Hamburg“ bei „Rock the Boat“ Glam-Rock Altstars wie „The Sweet“ auftreten lassen, mit Peter Maffay und David Garret die „Queen Mary 2“ auf links gedreht und für TUI Cruises einen musikalischen Törn mit Fury in the Slaughterhouse in voller Besetzung organisiert. Von ebendieser Band aus Hannover haben nun also zwei Musiker als Hauptact für die Musiksegelreise in der Karibik zugesagt. „Ich glaube, dass das für alle ein großer Spaß werden kann“, sagt Sänger Wingenfelder, der die meisten Fury-Songs geschrieben hat, bei der Präsentation in Hamburg.
Und damit wird er recht behalten, wie sich rund fünf Monate später zeigt. Das beginnt schon bei den Passagieren: Während man Anfang Dezember bisher üblicherweise eher ein älteres, recht distinguiertes Publikum an Bord begrüßt hat, liegt der Fokus bei „Songs ‚N‘ Sail“ eindeutig auf einer jüngeren Zielgruppe und recht legeren Umgangsformen. Selbst beim Gala-Abend inklusive Captain’s Cocktail bleiben Sakkos und Co. deshalb die Ausnahme. Später sieht man diese gar nicht mehr, die meisten der überwiegend deutschsprachigen Gäste ziehen ohnehin das Büfett auf dem Lido-Deck dem gesetzten Essen im klimatisierten Restaurant vor. Auch abends bleibt es oft bei Shorts und Hawaii-Hemd oder Fan-Shirt.
So, wie sich der Luxusbegriff in der Hotellerie und auf Kreuzfahrten weiterentwickelt, ist es im Prinzip ebenfalls bei Sea Cloud Cruises. Es geht in Zeiten des wachsenden Tourismus nicht mehr vornehmlich um reichlich Champagner und Hummerschwänze (beides gibt es noch, aber steht nicht im Vordergrund), sondern um Exklusivität der Erlebnisse und die Qualität der Destinationen. Die kompakte Schiffsgröße, die Auswahl der Routen und das Segelerlebnis ermöglichen ein anderes Reisen als auf einem der Kreuzfahrtriesen, wenngleich es selbst in der Karibik zunehmend schwieriger wird, kleine Inseln exklusiv anzulaufen. Deshalb sind Stationen wie Philipsburg als Start- und Zielhafen oder San Juan auf Puerto Rico als Tor zu den US Virgin Islands unerlässlich. Hier liegt die „Sea Cloud Spirit“ dann eben doch mal neben großen Pötten von Royal Caribbean, Aida, P&O, Virgin oder Norwegian und erinnert einen daran, dass es mancherorts ganz schön eng geworden ist auf See.
Musiker von Fury in the Slaughterhouse singen exklusiv an Bord
Doch schnell vergessen wir unterwegs diese Schattenseite der allgemeinen Kreuzfahrt und freuen uns über die Vorzüge unseres Segelschiffs und der bevorstehenden Anlandungen, oft per Tender- oder Schlauchtboot. Hinzu kommt, und das nicht nur als imaginäres Sahnehäubchen oder Kaviartopping, die musikalische Umrahmung, für die Uwe Bahn mithilfe künstlicher Intelligenz sogar einen eigenen „Songs ‚N‘ Sail“-Titelsong von John Tonic & the Brainkillers arrangiert hat: „Off from Sint Maarten, we sail away, singing loud, into the sunny day. The sea tells tales, both old and new, under skies so wide and deep in blue.”
Das muss man nicht unbedingt übersetzen, um zu verstehen, dass es unterwegs neben zahlreicher Hits auch reichlich Anekdoten geben wird. Es geht also um noch mehr als die zwei Konzerte mit Wingenfelder und Stein-Schneider. Zwar haben einige Fury-Hardcore-Fans die Gunst der Stunde genutzt und sich vor allem ihretwegen auf Kreuzfahrt begeben, doch erleben Fans der Eagles und der Dire Straits ebenfalls grandiose Momente. Zu beiden Bands hat Uwe Bahn einen Vortrag aus seiner Reihe „World records“ im Programm, bei denen er neben zahlreichen Hintergrundinformationen die Musik selbst sprechen lässt. Als bei „Hotel California“ am Horizont die Sonne kitschig im Meer versinkt, treibt es dem einen oder anderen tatsächlich Tränen der Rührung in die Augen, auch dem Moderator selbst.
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Ein Film, der ebenfalls sehr bewegt und der auf künftigen Reisen erneut gezeigt werden soll, heißt „Under the Vulcano“. In dieser sehenswerten Dokumentation geht es um das AIR-Studio auf der Karibikinsel Montserrat. Dort, weitab vom Trubel der Großstädte, haben zehn Jahre lang nicht nur die Dire Straits Songs aufgenommen, sondern auch viele andere bekannte Musiker, darunter Sting mit The Police, Elton John, die Rolling Stones, Duran Duran, Ultravox und Eric Clapton. Ein massiver Hurrikan und ein folgenschwerer Vulkanausbruch beendeten diese Episode der Musikgeschichte.
Wie die Karibik selbst klingt, erleben die Passagiere der „Sea Cloud Sprit“ unterwegs natürlich auch. Auf Puerto Rico kommt eine lokale Combo an Bord, die überwiegend Salsa spielt, beim Barbecue auf der britischen Jungferninsel Jost van Dyke lässt die Shooting Stars Steel Pan Band Bob Marley und Co. lebendig werden, und zum Sundowner im Bitter End Yacht Club auf Virgin Gorda heizt die exklusiv gebuchte Profile Band mit Cover-Songs von Earth, Wind and Fire bis Lionel Ritchie ein.
„Songs ‚N‘ Sail“: Sea Cloud Cruises will jüngeres Publikum anlocken
Unter den Tanzenden ist auch Petra Quasdorf, bei Sea Cloud Cruises als Senior Vice President zuständig für die Produktentwicklung. Sie sagt: „Spätestens jetzt sieht man, dass unsere Idee voll aufgegangen ist.“ Quasdorf hatte gehofft, dass die durch das Musikthema verjüngte Zielgruppe – bei der ersten „Songs ‚N‘ Sail“-Reise liegt das Alter zwischen 40 und 75 – Gas gibt und viel Spaß hat. Und sieht sich nun bestätigt, was sicher ihren Chef Daniel Schäfer in Hamburg freut. Auch er möchte mit dem neuen Format etwas jüngere Gäste an Bord locken, die bislang womöglich dachten, das Publikum auf dem Schiff sei für solche Events ein wenig zu alt.
Das Konzept kommt sogar so gut an, dass die einzige Schwäche auf dieser Reise bei den Gästen in den Hintergrund rückt: das Essen. Eigentlich hat man bei Sea Cloud Cruises den Anspruch, „im Einklang mit dem 5-Sterne-Standard und den Budgetvorgaben mit frischen Produkten, kreativen Ideen und der Liebe zu mediterran-französischer Küche herausragende Menüs“ zu gestalten, die Sterne-Niveau erreichen. So formuliert es jedenfalls eine aktuelle Stellenanzeige für einen neuen Chef de Cuisine. Davon bleibt das Küchenteam Anfang Dezember leider weit entfernt, die nötige Nachbesserung ist laut Sea Cloud Cruises allerdings bereits adressiert.
Musik unter Segeln: Songs ‚N‘ Sail auf der „Sea Cloud Spirit“
Zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln bei „Songs ‚N‘ Sail“ gehört aber ohnehin anderes: „Carib“-Bier und „Painkiller“-Cocktails. Und ansonsten sollte es auf der Reise ja, frei nach Country-Star Kenny Chesney (er hat ein Haus auf den US Virgins), vor allem heißen: „no shoes, no shirt, no problems“.
Die nächste „Songs ‚N‘ Sail“-Reise mit der „Sea Cloud Spirit“ findet statt vom 4. bis 11. Dezember 2025. Das Routing wird leicht verändert, welche Musiker mitkommen, steht noch nicht fest. Weitere Informationen zu dieser Segel-Reise unter Seacloud.com.
Mehr über Kreuzfahrten im neuen „Kreuzfahrt Guide 2025“ (270 Seiten, 19,50 Euro), erhältlich in der Abendblatt-Geschäftsstelle, im Buchhandel und auf shop.abendblatt.de.
(Transparenzhinweis: Der Autor durfte die Fahrt auf Einladung der Reederei begleiten, An- und Abreise waren dabei nicht inkludiert.)