Hamburg. Ein Vitamin-D-Mangel kann viele Folgen haben. Gehört eine Gewichtszunahme auch dazu? Ein Arzt erklärt, wann das der Fall sein kann.

Im Winter nehmen viele Menschen zu – und das nicht nur über Weihnachten. Der sogenannte Winterspeck kann viele Ursachen haben: Der Druck, einem bestimmten Körperideal zu entsprechen, nimmt dank kaschierender Pullover und dicken Schals ab. Kalte, dunkle Tage verleiten dazu, lieber auf dem Sofa zu bleiben, anstatt abends noch eine Runde laufen zu gehen.

Insbesondere am Bauch wird eine Gewichtszunahme aber auch mit einem Vitamin-D-Mangel in Zusammenhang gebracht. Was dafür spricht: Das Sonnenvitamin ist an vielen Stoffwechselprozessen des Körpers beteiligt – und im Winter kommt hierzulande ein Mangel häufig vor. Aber nimmt man dadurch wirklich schneller zu? Ein Mediziner klärt auf.

Stoffwechselprozesse im Körper brauchen Vitamin D

Vitamin D ist besonders für seine Wirkung auf die Knochengesundheit bekannt. Es verbessert die Aufnahme von Kalzium und Phosphaten im Darm und stärkt dadurch die Knochen. Umgekehrt kann ein Mangel an Vitamin D Knochenschwund (Osteoporose) verursachen. Aber auch auf viele andere Stoffwechselprozesse des Körpers nimmt das Vitamin Einfluss.

Welche Rolle Vitamin D für einen gesunden Organismus spielt, wird spätestens bei einer Unterversorgung deutlich: Wir werden müde und antriebslos, leiden unter Muskelschmerzen und Haarausfall oder bekommen eine Erkältung nach der anderen.

Gewichtsveränderungen werden allgemein nicht zu den typischen Symptomen und Folgen eines Vitamin-D-Mangels gezählt. Dabei besteht ein klarer Zusammenhang zwischen Vitamin D und dem Körpergewicht.

Auch interessant

Übergewicht kann Vitamin-D-Mangel fördern

Ein höheres Gewicht kann zu einem Vitamin-D-Mangel beitragen: So kam eine US-amerikanische Studie zu dem Schluss, dass sich ein höherer Fettanteil negativ auf den Vitamin-D-Spiegel im Blut auswirken kann.

Ursprünglich wollten die Forscher untersuchen, ob Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren das Risiko für Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken. Dabei stellten sie die gesundheitsförderlichen Effekte von Vitamin-D-Präparaten nur bei Probanden mit einem Body-Maß-Index (BMI) unter 25 fest. Der BMI setzt die Körpergröße in Verhältnis zum Gewicht. Bei Männern gilt ein BMI höher als 25 als Übergewicht, bei Frauen liegt die Grenze bei einem Wert von 24. Eine zweite Analyse von rund 16.500 Probanden zeigte schließlich, dass der Vitamin-D-Spiegel bei Übergewichtigen nicht nur niedriger war, sondern auch langsamer anstieg, wenn sie ein Nahrungsergänzungsmittel einnahmen.

Wie lange es dauert, bis ein Vitamin-D-Mangel behoben ist, hängt vom Körpergewicht ab, bestätigt auch Keihan Ahmadi-Simab: „Menschen mit höherem Körperfettanteil benötigen oft höhere Dosierungen“, erklärt der Facharzt für innere Medizin am Medizinicum Hamburg. Der Grund: „Vitamin D ist fettlöslich und kann sich in Fettgewebe anreichern, was den Anstieg im Blut verlangsamen kann.“

Der Arzt Dr. Ahmadi-Simab
Dr. Ahmadi-Simab ist seit 2014 ärztlicher Direktor des Medizinicum Hamburg. Er ist Facharzt für Innere Medizin, Rheumatologie, Klinische Immunologie und Gastroenterologie. © Medizinicum Hamburg

Kann ein Vitamin-D-Mangel zur Gewichtszunahme führen? 

Dennoch kann ein Mangel an Vitamin D auch dazu führen, dass wir zunehmen. Ahmadi-Simab erklärt: „Vitamin D spielt eine wichtige Rolle im Fettstoffwechsel und hat verschiedene Mechanismen, die auf das Gewicht und den Fettabbau einwirken können.“ Da Vitamin D die Bildung und Aktivität von Fettzellen reguliere, könne ein Mangel zu ihrer Vermehrung und zur Ansammlung von Bauchfett beitragen, so der Mediziner.

Auch die entzündungshemmende Wirkung von Vitamin D kann das Bauchfett beeinflussen, sagt Ahmadi-Simab. Die stärkere Entzündungsneigung des Körpers im Winter begünstige eine Gewichtszunahme: „Entzündliche Prozesse führen oft zu einer erhöhten Fettablagerung, insbesondere am Bauch“, so der Mediziner. „Darum könnte ein Vitamin-D-Mangel dazu beitragen, dass man an Gewicht zulegt.

Eine gute Vitamin-D-Versorgung könne zudem dazu führen, dass der Körper mehr Leptin bildet – ein Hormon, das unser Sättigungsgefühl steuert. Leptin signalisiert dem Gehirn, wie es um die Energiereserven des Körpers bestellt ist. Sind die Fettdepots gut gefüllt, zirkuliert mehr Leptin im Blut. Das führt dazu, dass wir weniger Hunger verspüren. Ein Mangel an Leptin hat den gegenteiligen Effekt: Es kommt zu Heißhungerattacken und der Körper lagert mehr Fett ein.

Eine Frau isst einen Burger
Heißhungerattacken können an einem Vitamin-D-Mangel liegen. © iStock | miodrag ignjatovic

Dicker Bauch durch Vitamin-D-Mangel: Entzündungen fördern Bauchfett

Das Gewicht beeinflussen kann Vitamin D allerdings auch, in dem es dazu beiträgt, den Blutzuckerspiegel zu regulieren: „Vitamin D kann die Insulinempfindlichkeit verbessern, was den Zuckerstoffwechsel stabilisiert und die Fetteinlagerung reduziert“, so Ahmadi-Simab.

Der Körper braucht Insulin, um Zucker (Glukose) vom Blut in die Zellen zu überführen. Wenn die Zellen stärker auf Insulin reagieren, nehmen sie mehr Glukose auf und verhindern so, dass sich Zucker in Fett umwandelt. Verbleibt dagegen zu viel Zucker im Blut, wird er zu Fett. Viele Menschen mit Diabetes – also Insulinmangel oder einer Insulinresistenz – neigen deshalb zu Übergewicht. Aber auch gesunde Menschen können durch eine zuckerreiche Ernährung Blutzuckerspitzen haben und dadurch zunehmen.

Dabei zeichnet es sich auch langfristig aus, den Körper ausreichend mit Vitamin D zu versorgen: Einer deutschen Studie zufolge kann ein gesunder Vitamin-D-Spiegel das Risiko für Typ-2-Diabetes erheblich reduzieren.

Auch interessant

Vitamin-D-Mangel kann indirekt eine Gewichtszunahme begünstigen

Ein Mangel an Vitamin D kann aber auch auf indirekte Weise Gewichtsveränderungen begünstigen: Wer in der dunklen Jahreszeit unter Müdigkeit, Energiemangel und Antriebslosigkeit leidet, weil ihm Vitamin D fehlt, tut sich mit körperlicher Betätigung schwer. Durch den Bewegungsmangel verliert der Körper nicht nur Muskeln, sondern setzt auch schneller Fett an. Bei Frauen sammelt sich Fett oft zuerst in den Hüften, bei Männern hingegen am Bauch, wie eine schwedische Studie mit über 300.000 Teilnehmern gezeigt hat.

Forscher vermuten zudem, dass ein sinkender Vitamin-D-Spiegel dem Körper den Wintereinbruch signalisiert. Dadurch verlangsamt sich der Stoffwechsel, und wir bauen als Schutz gegen die Kälte mehr Fettreserven auf.

Hilft Vitamin D beim Abnehmen?

Wenn ein Mangel ärztlich festgestellt wird, können Vitamin-D-Tabletten langfristig helfen, überschüssiges Fett zu verlieren. Dies gilt jedoch nur, wenn das zusätzliche Gewicht auf Bewegungsmangel zurückzuführen ist – und dieser durch den Vitaminmangel verursacht wird. Ob Vitamin D zusätzlich beim Abnehmen hilft, ist jedoch fraglich, wie eine Studie von 2014 zeigt.

Darin wurden 218 übergewichtige Frauen zwischen 50 und 75 Jahren wurden in zwei Gruppen unterteilt: Die erste erhielt täglich 2000 Internationale Einheiten (I.E) Vitamin D, die zweite ein Placebo. Alle Probandinnen mussten ihre Kalorienaufnahme reduzieren und jede Woche 225 Minuten Sport treiben. Nach zwölf Monaten wiesen die Frauen der ersten Gruppe zwar einen höheren Vitamin-D-Spiegel auf, zeigten aber ansonsten keine wesentlichen körperlichen Unterschiede zur Placebo-Gruppe.

Auch Ahmadi-Simab gibt zu bedenken: Es gebe keine Studien, die belegen, dass Vitamin D als Abnehm-Beschleuniger wirken kann. Solange kein Mangel besteht, sollte Vitamin D also nicht zu Abnehmzwecken eingenommen werden. Im Gegenteil: Eine Überdosierung kann der Gesundheit ernsthaft schaden und im schlimmsten Fall Nierenschäden und Herzrhythmusstörungen verursachen.

Quellen

Tobias, D.K. [u.a.]: Association of Body Weight With Response to Vitamin D Supplementation and Metabolism, in: JAMA Network Open. Jan. 2023, Vol. 6(1).

Karampela I. [u.a.]: Vitamin D and Obesity: Current Evidence and Controversies, in: Current Obesity Reports. Jun. 2021, Vol. 10(2): 162-180.

Mason, C. [u.a.]: Vitamin D3 supplementation during weight loss: a double-blind randomized controlled trial, in: American Journal of Clinical Nutrition, Mai 2014, Vol. 99(5): 1015-25.

Rask-Andersen, M. [u.a.]: Genome-wide association study of body fat distribution identifies adiposity loci and sex-specific genetic effects, in: Nature Communications, Jan. 2019 Vol. 339 (10).

Unterlechner, D.; Amrein, K.: Vitamin D und Prädiabetes, in: Journal für Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel, Aug. 2024, Vol. 17: 110–115.

Diabetes und Vitamin D, in. deutsche-apotheker-zeitung.de

Die Rolle des Leptins, in: uniklinik-ulm.de