Hamburg. Einfache Internet-Recherche trägt dazu bei, dass viele Kranke voreilig die Notaufnahmen aufsuchen. Die Ärzte haben bereits reagiert.
„Doktor Google“ ist allgegenwärtig. Er hat immer Sprechstunde und weiß immer Rat. Und das wird zum Bumerang für die Patienten. Weil sich immer mehr Menschen mit Beschwerden über Symptome, Diagnosen und Behandlungen im Internet informieren, neigen sie zum voreiligen Besuch einer Notaufnahme. Das sagen unisono die niedergelassenen Ärzte und ihre Kollegen in den vollen Wartebereichen der Hamburger Krankenhäuser.
Die Zahl der Patienten hat im vergangenen Jahr noch einmal stark zugenommen. Ins UKE kamen 73.000 Kranke in die Notaufnahme, das bedeutet 200 pro Tag.
Im Katholischen Marienkrankenhaus stieg die Zahl der notfallmäßig Behandelten (2015: etwa 42.000) in fünf Jahren um 20 Prozent. Bei Asklepios ist derselbe Trend zu beobachten (siehe Interview).
Leidensdruck führt zu voreiligen Schlüssen
Dr. Michael Wünning, leitender Arzt des Zentrums für Notfall- und Akutmedizin am Marienkrankenhaus, sagt: Auch wenn Patienten nicht bedrohlich erkrankt seien, hätten sie subjektiv einen Leidensdruck, der sie so beunruhige, dass sie nicht mehr auf einen Facharzttermin warten können, auch wenn der bereits feststeht. Nach einem Gutachten der Deutschen Krankenhausgesellschaft vom vergangenen Jahr verursachen die ambulanten Notfallpatienten pro Kopf Kosten von 130 Euro. Die durchschnittliche Vergütung liegt aber nur bei 30 Euro.
Studie zu Notfall-Patienten
„Das macht jährlich eine Unterdeckung in Deutschland von einer Milliarde Euro“, sagt Wünning. Und diese Kosten müssen wiederum durch steigende Krankenkassenbeiträge finanziert werden.
Damit das nicht so weitergeht, haben die Kassenärztliche Vereinigung (KV) und das UKE jetzt eine Studie begonnen, die die Motive der Notaufnahme-Patienten untersucht, die nicht lebensbedrohlich erkrankt sind. KV-Vize Dr. Stephan Hofmeister sagt: „Viele brauchen den stationären Apparat nicht. Die sind einer Notfallpraxis der KV an der Stresemannstraße oder in Farmsen besser aufgehoben.“
Notarzt in Hamburg mit eigener Telefonnummer
Dabei sind die Notfälle für die Praxisärzte kein lukratives Geschäft. Die Telefonnummer des mobilen Notarztes (040/22 80 22 oder bundesweit 116 117) ist vielen Bürgern gar nicht bekannt. Dort gibt es oft schneller Hilfe als beim Gang ins Krankenhaus.
Den Ärzten geht es nicht darum, die Patienten zu beleidigen oder deren Beschwerden kleinzureden. Aber sie fordern eine etwas rationalere Einschätzung. Das UKE hat in der Notaufnahme bereits einen allgemeinmedizinischen Versorgungsbereich eingerichtet, in dem die Menschen versorgt werden, die nach einer ersten Einschätzung nicht in den nächsten Minuten versorgt werden müssen.
UKE-Notfallkoordinator Dr. Ulrich Mayer-Runge sagt: „Manchmal sieht man schon an der Warteschlange, ob einer sich bleich kaum noch auf den Beinen hält oder einer mit dem Handy spielt.“