Berlin/Ludwigshafen. Andere sind euphorischer: Nüchtern gratuliert die Bundeskanzlerin ihrem Vorgänger zum 85. Experten sagen: Merkel wird Kohl immer ähnlicher.
Es ist ein schwieriges Verhältnis, das Altkanzler Helmut Kohl zu seiner Nachnachfolgerin Angela Merkel hat. Einst distanzierte sie sich von ihm und seinem Erbe, das in der Parteispendenaffäre eine unschöne Fußnote enthält. Dann ging sie offenbar wieder auf ihn zu, auch als es um die Jahrestage zur deutschen Einheit ging. Anlässlich des 85. Geburtstags von Kohl am Karfreitag hat Bundeskanzlerin Merkel nun seine Verdienste erneut gewürdigt – mit Zwischentönen. In einem Gastbeitrag für die "Bild"-Zeitung schrieb sie, die europäische Einigung und die deutsche Einheit "sind auch sein Werk".
Was bedeutet in diesem Zusammenhang "auch"? Nur, dass viele andere daran beteiligt sind? Dass sie seinen treibenden Einfluss kleinredet? Dass sie selbst einen eigenen Anteil daran beanspruchen kann? Denn immerhin hat Merkel als krisenerprobte EU-Führungskraft einen genuin eigenen Akzent in der Geschichte des "Hauses Europa" gesetzt.
Jetzt schrieb Merkel über Kohl: "Wie beglückend muss es für Helmut Kohl sein, unser Land heute vereint als respektierter Teil der Gemeinschaft von 28 europäischen Demokratien zu erleben." Die "Entschlossenheit" und "Persönlichkeit Helmut Kohls" seien nach der friedlichen Revolution in der DDR nötig gewesen, "um das politische Kunststück einer Wiedervereinigung" zu vollbringen, fuhr die Kanzlerin fort. Kohl sei das deshalb gelungen, weil er über Jahre hinweg "von Washington über Paris, London und Brüssel bis nach Moskau" Vertrauen aufgebaut habe. Deutschland habe Kohl "viel zu verdanken". Das klingt nüchtern, doch so ist ihr Stil.
Dabei gibt es da verblüffende Parallelen: Der Regierungsstil von Merkel ähnelt nach dem Urteil des Historikers Paul Nolte immer stärker dem ihres Vorgängers Helmut Kohl. "Je mehr Zeit vergeht, umso mehr Ähnlichkeiten werden im Stil des Kanzlers und der Kanzlerin deutlich", sagte Nolte dem "Tagesspiegel". Sie pflege wie einst Kohl einen "moderierenden Regierungsstil" und versuche "auf pragmatische Weise, die CDU in der Mitte zu halten", sagte der Berliner Historiker.
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hat Altkanzler Kohl zu seinem 85. Geburtstag als herausragende politische Persönlichkeit gewürdigt. „Als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland sind Sie untrennbar mit der deutschen und europäischen Einigung verbunden“, heißt es in einem Gratulationsschreiben Dreyers an Kohl. Sein Einsatz und seine Verdienste blieben unvergessen.
Kohl lebt seit einem Sturz mit gesundheitlichen Einschränkungen. Seinen Geburtstag wird er in seinem Haus in Ludwigshafen-Oggersheim verbringen. Nicht alle ehemaligen Weggefährten gehen versöhnlich mit Kohl um. So sagte der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler, er wolle auch 25 Jahre nach seinem Zerwürfnis mit Kohl dem Altkanzler kein Versöhnungsangebot machen. „Ich habe mir nichts vorzuwerfen, was den Helmut Kohl betrifft. Und deswegen mache ich auch keinen Schritt und gar nichts“, sagt er in einer Dokumentation des Südwestrundfunks.
Im Jahr 1999 brachte die Parteispendenaffäre der CDU ans Licht, dass auch Kohl von anonymen Spendern zwischen 1,5 und zwei Millionen Mark in bar erhalten hatte. Deren Namen verschweigt er zum Ärger auch seiner Anhänger bis heute. Als die damalige CDU-Generalsekretärin Angela Merkel auf Distanz ging, legte Kohl im Dezember enttäuscht den CDU-Ehrenvorsitz nieder. Nach dem Selbstmord seiner Frau Hannelore hat Kohl ein zweites Mal geheiratet und sich mit seinen Söhnen Walter und Peter überworfen. Seine neue Frau Maike Kohl-Richter wird von verschiedenen Seiten für Missstimmungen rund um Kohl verantwortlich gemacht – auch von Kohl-Biograf Heribert Schwan, der mit dem Altkanzler in juristischem Streit liegt. Die "Kohl-Protokolle“ hatten eine Kontroverse ausgelöst, weil sie ohne Autorisierung erschienen. Vorerst siegte Kohl vor Gericht gegen Schwan. (HA/AFP/dpa)