Berlin/Ludwigshafen. Die alten Geschichten hören nie auf: Der ARD-Film „Der Kanzler und der Rebell. Kohl, Geißler und der Kampf um die Macht“ wird kurz vor Kohls 85. ausgestrahlt.
Berlin/Ludwigshafen. Altkanzler Helmut Kohl (CDU) musste einiges durchmachen in den vergangenen Jahren. Enthüllungen über sein Privatleben und seine zweite Frau Maike Kohl-Richter, die Abkehr seiner Söhne von ihm, deren Bücher, die Klage gegen den Biografen Heribert Schwan, das anhaltend schwierige Verhältnis zu seiner Partei und ihrer heutigen Vorsitzenden: Bundeskanzlerin Angela Merkel. Nun will auch 25 Jahre nach seinem Zerwürfnis mit Helmut Kohl der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler dem Altkanzler kein Versöhnungsangebot machen. „Ich habe mir nichts vorzuwerfen, was den Helmut Kohl betrifft. Und deswegen mache ich auch keinen Schritt und gar nichts“, sagt er in einer Dokumentation des Südwestrundfunks. Der Film „Der Kanzler und der Rebell. Kohl, Geißler und der Kampf um die Macht“ wird in der ARD an diesem Montag um 23.30 Uhr ausgestrahlt.
Auch Kohl hat mehrfach deutlich gemacht, dass er nicht auf Geißler zugehen will. Geißler feierte am 3. März seinen 85. Geburtstag. Kohl wird am 3. April 85 Jahre alt. Dessen Europapolitik würdigt Geißler aber ausdrücklich: „Dass Europa vorangekommen ist, das hat Europa, aber auch Deutschland zu einem ganz großen Teil ihm zu verdanken.“ Auch zu Wolfgang Schäuble ist das Verhältnis Kohls gestört. Das liegt vor allem an der Parteispendenaffäre, in der Kohl sich weigerte, die Namen der Spender zu nennen.
Geißler war von 1977 bis 1989 Generalsekretär unter dem CDU-Vorsitzenden Kohl. 1989 kam es wegen Differenzen über den Kurs der Partei zum Bruch. Geißler sagt: „Ich war nicht Generalsekretär des Kanzleramtes oder des Bundeskanzlers oder des Parteivorsitzenden, sondern ich war Generalsekretär der Partei.“ Im Inneren seines Herzens wisse er zwar, dass der Disput damals „ein unnötiger Krampf“ gewesen sei. „Das ist unbegründet und schade, dass es so gelaufen ist, das ist wahr. Aber das war’s dann auch.“
Helmut Kohl ist heute ein gefesselter Riese. So hat es Österreichs früherer Bundeskanzler Wolfgang Schüssel im Dezember in Dresden bei einem Festakt mit Kohl zum 25. Jahrestag des Mauerfalls formuliert. 2008 erlitt Kohl bei einem Sturz ein Schädel-Hirn-Trauma, seither sitzt er im Rollstuhl und kann nur schwer sprechen. Kohl, der Rekord-Kanzler, der „Kanzler der Einheit“, der einstige CDU-Übervater, dem Partei und Bürger über viele Jahre folgten – nd an dem sich viele Menschen bis heute reiben. Kohl-Freund Schüssel sagt, man habe immer gewusst: „Im Zweifel können wir uns auf diesen Riesen, der heute hier gefesselt vor uns sitzt, (...) verlassen.“
Der einstige Regierungschef tritt nur noch selten öffentlich auf, und wenn er spricht, ist er kaum zu verstehen. Im vorigen November stellte er in Frankfurt am Main ein Buch vor, das er mit Hilfe seiner zweiten Frau Maike Kohl-Richter geschrieben hat: „Aus Sorge um Europa“. Bei der Präsentation vor laufenden Kameras - das öffentliche Interesse ist ungebrochen - saß seine Frau neben ihm, rückte Zettel zurecht, flüsterte ihm etwas zu und war mit einem Taschentuch zur Stelle.
Maike Kohl-Richter wird von verschiedenen Seiten verantwortlich gemacht für Kohls Entfernung von seinen Söhnen Walter und Peter und alten Wegbegleitern wie seinem Fahrer „Ecki“ Seeber. Kohls früherer Ghostwriter Heribert Schwan erklärt Maike Kohl-Richter offen zu seinem „Feindbild“. Sie habe seine Arbeit mit Kohl beendet und strebe die „Deutungshoheit“ über seine Kanzlerschaft an, sagt Schwan.
Er saß 2001 und 2002 mehr als 600 Stunden mit Kohl zusammen und nahm dessen Erzählungen für die Memoiren des Altkankers auf Band auf. 2014 veröffentlichte Schwan aber sein eigenes Buch „Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle“ - mit saftigen, von Kohl nicht freigegebenen Zitaten über Angela Merkel („Frau Merkel konnte ja nicht richtig mit Messer und Gabel essen“), Heiner Geißler, Rita Süssmuth und anderen. Kohl klagte mit Erfolg auf Herausgabe der Bänder und gegen die Verwendung von 115 Zitaten. Am 5. Mai entscheidet das Oberlandesgericht Köln womöglich, dass alle Zitate gestrichen werden müssen.
Kohl konnte Menschen schon immer mit Wärme, Witz und Protektion für sich einnehmen. Zu Kanzler-Zeiten beförderte er Karrieren und vernichtete sie. Für Unterstützung erwartete er Dankbarkeit. Als der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker sagte, Dankbarkeit sei in der Politik keine Kategorie, verstand Kohl das nicht.