Der Bundespräsident dürfe sich zu allen wichtigen Themen der Gesellschaft äußern. Kanzlerin Merkel hält sich in der Diskussion dagegen zurück. Schweriner Linken-Fraktionchef ermahnt Gauck.
Berlin/Schwerin/Mainz/Luxemburg. In der Debatte über die Kritik von Bundespräsident Joachim Gauck an der Linkspartei hebt die Bundesregierung das Recht des Staatsoberhaupts auf freie Meinungsäußerung hervor. „Der Bundespräsident ist frei, zu allen wichtigen Themen unserer Gesellschaft zu sprechen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Kanzlerin Angela Merkel werde die Äußerungen Gaucks aus Respekt vor seinem Amt grundsätzlich nicht kommentieren, fügte Seibert hinzu.
Angesichts der möglichen Wahl des Linken-Politikers Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten in Thüringen hatte sich Gauck in der ARD zu Wort gemeldet. In dem am Sonntag ausgestrahlten Interview mit Journalist Ulrich Deppendorf im „Bericht aus Berlin“ äußerte der Bundespräsident Zweifel darüber, ob sich die Linke weit genug von der Linie der SED und ihrer Unterdrückungspolitik in der DDR entfernt habe.
Wörtlich hatte der frühere Bürgerrechtler gefragt: „Ist die Partei, die da den Ministerpräsidenten stellen wird, tatsächlich schon so weit weg von den Vorstellungen, die die SED einst hatte bei der Unterdrückung der Menschen hier, dass wir ihr voll vertrauen können?“ Es gebe „Teile in dieser Partei, wo ich – wie viele andere auch – Probleme habe, dieses Vertrauen zu entwickeln.“
In Thüringen streben SPD, Linke und Grüne erstmals eine rot-rot-grüne Koalition unter Führung eines linken Ministerpräsidenten an. Die Spitze der Linke reagierte scharf auf das Staatsoberhaupt, auch aus der SPD kamen Mahnungen zur Zurückhaltung.
Linke-Fraktionschef ermahnt Gauck
Der Fraktionschef der Linken im Schweriner Landtag hält Gaucks die Zweifel an der Regierungsfähigkeit Ramelows für unbegründet. „Die parteipolitische Neutralität des höchsten deutschen Amtes verbietet eine Einmischung in die Angelegenheiten der Länder, wenn es etwa um die Regierungsbildung geht“, sagte Helmut Holter am Montag.
Die Wähler entschieden, ob eine Partei in der Regierung oder in der Opposition wirkt, erklärte Holter. „Gerade der Bürgerrechtler, Bundespräsident Joachim Gauck, muss demokratische Grundrechte achten.“ Der Fraktionsvorsitzende sagte, dass sich die Linke sehr wohl kritisch mit der Vergangenheit auseinandergesetzt und Schlussfolgerungen für ihr Programm und ihre Politik gezogen habe.
Auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) äußerte sich kritisch. Dem Berliner „Tagesspiegel“ (Montag) sagte er: „Ich fürchte, dass es dem Amt des Bundespräsidenten schadet, wenn sich dieser in die Debatte um die Regierungsbildung in einem Bundesland einschaltet.“
Klöckner stützt Gauck
Aus der CDU erhält Gauck derweil weiteren Rückhalt für seine Bedenken gegen die Regierungsfähigkeit der Linke. „Natürlich darf er das“, sagte die stellvertretende CDU-Vorsitzende und rheinland-pfälzische Parteichefin Julia Klöckner am Montag.
„Wenn einer den Unrechtsstaat der DDR beurteilen kann, wenn sich einer für die friedliche Bewegung und um die Freiheitsdiskussion verdient gemacht hat, wenn einer am eigenen Leib erfahren hat, was das Gegenteil von Religionsfreiheit ist, dann gewiss auch unser Bundespräsident Joachim Gauck.“ Auch das sei Freiheit, dass er seine Erfahrungen einbringe: „Entweder will man einen unabhängigen Präsidenten mit eigener Meinung oder nicht.“
Der hessische Ministerpräsident und CDU-Vize Volker Bouffier sagte der „Bild“-Zeitung (Montag): „Für meine Begriffe hat sich der Bundespräsident noch sehr diplomatisch ausgedrückt.“ Gauck komme aus der ehemaligen DDR und „weiß wovon er spricht“, erklärte Bouffier. „Er drückt ein Gefühl aus, dass die meisten beschleicht, wenn jemand aus der Nachfolgepartei der SED 25 Jahre nach dem Fall der Mauer Ministerpräsident in einem ostdeutschen Bundesland werden soll.“
Gauck und Schadt erstmals in Luxemburg
Unterdessen reiste Gauck am Montag zu seinem ersten Staatsbesuch nach Luxemburg. Vor dem Palast von Großherzog Henri wurde er mit militärischen Ehren begrüßt. Anschließend stand eine Kranzniederlegung am Nationaldenkmal zum Gedenken an die Opfer des Zweiten Weltkriegs auf dem Programm.
Nach einem Treffen unter anderem mit Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel wollte Gauck am Nachmittag im Rathaus der Hauptstadt eine Rede halten. Der Präsident und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt sind bis Mittwoch im Großherzogtum zu Besuch. Luxemburg zählt rund 550.000 Einwohner und ist nach Malta das zweitkleinste Land der EU.