Der Präsident steht nicht allein mit seiner Kritik an der Partei Die Linke

Es ist leicht, dem Bundespräsidenten vorzuwerfen, er mische sich in die Tages- und Parteipolitik ein, auch wenn er bloß seine Rolle als Mahner und Zweifler wahrnimmt. SPD-Vize Ralf Stegner verlangte am Wochenende mehr Zurückhaltung vom Staatsoberhaupt. Der Grund des Ärgernisses: Joachim Gaucks Bedenken gegen die wahrscheinliche Wahl von Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten von Thüringen. Da wird es schnell grundsätzlich: Darf der oberste Repräsentant des Landes Tagesaktualitäten kommentieren? Und wann sollte er sich, wenn auch zähneknirschend, zurückhalten? Ist der erste Länderchef der Linken 25 Jahre nach dem Mauerfall ein historisch zu würdigender Tatbestand? Oder nur eine Episode im Politikalltag?

Von Gauck in dieser Frage Schweigsamkeit zu erwarten hieße, seine biografischen und politischen Wurzeln zu ignorieren. Wenn jemand das Recht, ja die Pflicht hat, dazu eindeutig Stellung zu beziehen, dann dieser parteilose Theologe, Publizist und Erste Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde, in dessen Lebenslauf sich die Teilung wie die Wiedervereinigung Deutschlands beeindruckend widerspiegeln. Was hat Gauck schon Schlimmes gesagt? Zitat: „Na ja, Menschen, die die DDR erlebt haben und in meinem Alter sind, die müssen sich schon ganz schön anstrengen, um dies zu akzeptieren. Aber wir sind in einer Demokratie. Wir respektieren die Wahlentscheidungen der Menschen ...“

Mit seinem Fragezeichen, ob man den Linken schon so weit vertrauen kann, dass sie einen Ministerpräsidenten stellen soll, steht Gauck nicht alleine da. Immerhin waren es die Grünen aus Thüringen, die darauf bestanden haben, dass die Linkspartei in einer gemeinsamen Erklärung die DDR als Unrechtsstaat bezeichnet. Die darauf entbrannte Diskussion unter den Linken gibt dem Bundespräsidenten in seinen Zweifeln doch recht.

Der Bundespräsident darf nicht schweigen. Seine Kritiker haben sich ja auch nicht beschwert, als Gauck den Rechtsextremen zurief „euer Hass ist uns Ansporn“.

Des Präsidenten schärfste Waffe ist das Wort. Und das soll er ergreifen, wann immer er es für nötig hält.