Parteikonvent erstellt Katalog mit zehn Forderungen. Sozialkürzungen ausgeschlossen
Berlin. Vier Wochen nach der Bundestagswahl ist der Weg für Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD frei. Ein kleiner Parteitag der SPD stimmte am Sonntag mit großer Mehrheit dafür, verknüpfte das Votum aber mit zehn Kernforderungen. Dazu zählen ein Mindestlohn von 8,50 Euro und die doppelte Staatsbürgerschaft. Auf Druck der Parteilinken beschloss der Parteikonvent zusätzlich, dass es in einer Großen Koalition keine Sozialkürzungen geben dürfe. Auf Steuererhöhungen will die SPD dagegen nicht mehr bestehen.
Am Mittwoch sollen die Verhandlungen beginnen, ihre Dauer ist ungewiss. Am Ende will die SPD ihre 470.000 Mitglieder über die Ergebnisse abstimmen lassen. Parteichef Sigmar Gabriel sagte, Ziel sei eine Regierungsbildung vor Weihnachten. Beim Konvent waren von den 229 Stimmberechtigten 31 gegen Koalitionsverhandlungen. Gabriel sagte, dass die Verhandlungen auch scheitern könnten. Er fügte aber hinzu: „Wenn man sich entscheidet, Koalitionsverhandlungen aufzunehmen, dann setzt man sich auch zum Ziel, sie nach Möglichkeit zu einem erfolgreichen Ende zu führen.“
An der SPD-Basis gibt es massive Vorbehalte gegen eine Große Koalition. Mit ihrem Forderungskatalog wollte die Parteispitze dem Konvent ein Bündnis mit der Union schmackhaft machen. Die zehn Kernpunkte:
Ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro.
Eine einheitliche Rente in Ost und West.
Ein höherer Beitrag zur Pflegeversicherung, um die Situation von Alten und Kranken zu verbessern.
Gleicher Lohn für Mann und Frau.
Mit doppelter Staatsbürgerschaft „Mehrstaatigkeit hinnehmen“.
Mietpreisbremse einführen.
Keine Privatisierung beim Ausbau der Infrastruktur.
Bildungssystem gerechter machen.
Finanztransaktionssteuer einführen.
Mit einer nachhaltigen Wachstumsstrategie die Euro-Krise bekämpfen. Die SPD-Führung warb vor den Delegierten geschlossen für die Aufnahme von Verhandlungen – darunter auch die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, die einer Großen Koalition lange Zeit skeptisch gegenüberstand. Besonders im Ruhrgebiet sind aber viele SPD-Ortsverbände nach wie vor gegen ein Regierungsbündnis mit der Union.
Um die Skeptiker zu überzeugen, hoben viele führende SPD-Politiker den Mindestlohn als unabdingbare Forderung hervor. „Für uns ist er nicht verhandelbar, so wie für die CDU anscheinend Steuererhöhungen nicht verhandelbar sind“, sagte der saarländische Landesvorsitzende Heiko Maas.
Der Wirtschaftsflügel der Union macht unterdessen Front gegen einen Mindestlohn. „Ein einheitlicher flächendeckender Mindestlohn würde die weitere Arbeitsmarktentwicklung, neues Wachstum und sprudelnde Steuereinnahmen deutlich bremsen“, heißt es in einem Entwurf des Wirtschaftsflügels für ein Zehn-Punkte-Papier, der dem „Spiegel“ vorliegt.
Die Union hatte die Bundestagswahl mit 41,5 Prozent gewonnen. Die SPD landete bei 25,7 Prozent.