SPD-Katalog ist moderat, aber noch immer konfliktträchtig
Der Forderungskatalog, mit dem die SPD in die Koalitionsverhandlungen mit der Union gehen will, hat die Partei gespalten; er zeigt aber, dass überwiegende Teile der Sozialdemokraten das Wahlergebnis richtig verstanden haben. Der zähe Kampf der Parteilinken hingegen auf dem Berliner Konvent um Steuererhöhungen wirkte nicht sonderlich verantwortungsbewusst. Dieser Reizpunkt hätte wie ein spanischer Reiter den Verhandlungsweg zur Union blockiert.
Nun hat Parteichef Gabriel das gewünschte Mandat zu Verhandlungen - und aus dem Forderungskatalog der SPD ragt immer noch einiges mit genügend Konfliktpotenzial heraus. Vor allem der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro und die doppelte Staatsbürgerschaft. Bezüglich Letzterer dürfte es kaum der besseren Integration dienen, wenn man sich scheut, einem hier lebenden Menschen mit Migrationshintergrund eine klare Entscheidung für unser Land und seine Kultur abzuverlangen.
Generell dürfte ein gesetzlicher Mindestlohn wohl nicht der Untergang des Industriestandortes Deutschland sein, wie manche Lobbyisten unken. Aber in dieser Höhe könnte er durchaus vielen kleineren Betriebe Sorgen bereiten.
Doch das Hauptproblem der Regelung ist eher struktureller Art: Damit würde die bewährte Autonomie der Tarifpartner ausgehebelt, die bislang unterschiedliche Leistungsfähigkeiten von Regionen im Lohnniveau berücksichtigen können. Eine Firma an der polnischen Grenze muss vielleicht ganz anders kalkulieren können als eine in München.
Die SPD hat ein Programm vorgelegt, das trotz einiger Widerhaken kompromissfähig ist. Sie wird in den Verhandlungen mit der Union wie auch einer Großen Koalition allerdings darum ringen müssen, nicht völlig ihre Seele zu verlieren. Die Partei leidet unter zwei Auszehrungsphänomenen – historisch darunter, dass ihre klassische Kernklientel der Fabrikarbeiterschaft verschwunden ist. Und aktuell dadurch, dass die CDU-Kanzlerin ihre Partei sozialdemokratisiert hat.