Parteien schmücken sich im Wahlkampf mit Bundesprominenz – auch Kanzlerin Merkel und Herausforderer Steinbrück reden in der Hansestadt.
Hamburg. Die Bundestagswahl steht vor der Tür, und der Stimmenfang geht in die heiße Phase. Auch Hamburgs Parteien rücken ihre Kandidaten ins Rampenlicht – sei es beim Klingeln an der Haustür, Diskutieren am Infostand oder der Großveranstaltung vor Hunderten Anhängern. Nicht zuletzt soll anreisende Bundesprominenz den Wahlkampf schmücken: Ob nun Kanzlerin Angela Merkel (CDU), ihr SPD-Herausforderer Peer Steinbrück oder die Spitzenkandidaten der anderen Parteien – sie alle machen auf ihrem Weg zum 22. September Station in Hamburg. Während Schwarz-Gelb alles auf einen Regierungserhalt unter der in Umfragen weit führenden Kanzlerin ausrichtet, kämpfen SPD, Grüne und Linke für einen Machtwechsel in Berlin. Von einer Vorentscheidung will keines der Lager etwas wissen. Stattdessen heißt es allerorts: Wahlkampf bis zur letzten Minute.
Hoffnung schöpfen die Sozialdemokraten aus der ihrer Ansicht nach schlechten Bilanz der schwarz-gelben Koalition in Berlin. „Die Bundesregierung beendet ihre Tätigkeit mit lauter ungelösten Problemen“, sagt Hamburgs Bürgermeister und SPD-Landeschef Olaf Scholz. So müsse der Zusammenhalt in der Gesellschaft wieder stärker werden. „Es darf nicht dabei bleiben, dass Millionen Frauen und Männer einen geringeren Lohn bekommen, als sie für ein auskömmliches Leben benötigen. Wir brauchen einen neuen Kanzler“, sagt Scholz, der im Wahlkampf neben Terminen in Hamburg bundesweit durch etwa 20 Städte tourt. Im Gegenzug wird Kanzlerkandidat Steinbrück am 18. September in der Hansestadt erwartet. Diese Woche kommt Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier (2.–4.8.) und feiert mit dem Eimsbütteler Kandidaten Niels Annen auf dem Grindelfest. Annen zufolge sollte niemand die SPD abschreiben: „Am Ende wird es an unserer eigenen Mobilisierungsfähigkeit liegen, und da haben wir die größeren Reserven.“
„Mit viel Rückenwind“ gehen die Grünen in den Wahlkampf, wie es die Landesvorsitzende und Kandidatin für den Wahlkreis Mitte, Katharina Fegebank, beschreibt. Gelingen soll der „grüne Wandel“ mit Themen wie Energiewende und Gerechtigkeit. „Mit einer klar beteiligungs- und dialogorientierten Haltung setzen wir auf einen Wahlkampf, der nah an den Problemen der Menschen ist und mit ihnen und nicht über sie entscheidet“, erklärt Fegebank. Der Wahlkampf der Grünen soll zudem aktionsorientiert sein: „Mit Fahrradtouren, Barkassenfahrt oder Rundgängen wollen wir unsere Themen vor Ort näherbringen“, sagt die Kandidatin für den Wahlkreis Nord, Anja Hajduk. Auch plant die Partei ab 5. August fünf Themenwochen zu Schwerpunkten wie Mobilität und Offene Gesellschaft. Darin eingebettet sind Auftritte der Bundesprominenz, darunter die Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt (3./26.8.) und Jürgen Trittin (18.9.) sowie die Parteivorsitzenden Cem Özdemir (13.8.) und Claudia Roth (5.9.).
Gradmesser auch für die Hamburg-CDU
Für Die Linke wird bis zum 22. September thematisch die Rentenproblematik zunehmend in den Mittelpunkt rücken. „Die aktuellen Zahlen zur Altersarmut – 2012 lag jede zweite Rente unter Hartz-IV-Niveau – rütteln derzeit viele Menschen auf“, begründet die Eimsbütteler Kandidatin Kersten Artus. Neben ihrer bundesweiten Ausrichtung als „die Friedenspartei“ baut Die Linke auf einen klassischen Straßenwahlkampf. Insbesondere die Direktkandidaten wollen sich mit den bekannten Roten Chilis abermals an den Haustüren der Wohnblocks direkt um Wähler bemühen. Für den stellvertretenden Parteivorsitzenden der Linken, Hamburgs Jan van Aken, haben „immer mehr Menschen viel zu wenig Geld, um über die Runden zu kommen, während die Superreichen weiter absahnen dürfen“. Zur zentralen Wahlkundgebung der Partei (6.9.) werden der Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Gregor Gysi, und die stellvertretende Parteivorsitzende Sahra Wagenknecht erwartet.
Für die Hamburger CDU ist die Bundestagswahl der erste ernsthafte Gradmesser nach der haushoch verlorenen Bürgerschaftswahl 2011. In der Hansestadt unverändert deutlich hinter Scholz’ Sozialdemokraten rangierend, wollen die Christdemokraten nun Profit aus dem Bonus der Kanzlerin schlagen. „Angela Merkel zieht und begeistert. Unsere Mitglieder sind mit dem ,Merkel-Faktor‘ noch motivierter als früher, und die Sorge vor Rot-Grün oder mehr noch Rot-Rot-Grün trägt den Rest“, sagt der Landesvorsitzende Marcus Weinberg, der die Kanzlerin am 18. September in Hamburg erwartet. Darüber hinaus setzt der Kandidat für den Wahlkreis Altona etwa auf Themen wie Integration und moderne Familienbilder sowie auf eine „starke Online-Kampagne“. Rüdiger Kruse, der Eimsbüttel 2009 erstmals für die CDU gewann, hat die Zeit seither genutzt: „Unser Pluspunkt ist, nicht erst jetzt in den Wahlkampf zu starten, sondern im Wahlkreis die letzten vier Jahre stets präsent gewesen zu sein.“
Mit dem bundesweiten Motto „Nur mit uns“ will es die FDP aus dem Umfragetief schaffen. „Dabei wird es natürlich in erster Linie um Bundesthemen gehen“, sagt Fraktionschefin Katja Suding. In Hamburg werde der Volksentscheid zum Netzrückkauf eine gewisse Rolle spielen. Dabei gehe es um eine vernünftige und solide Haushaltspolitik. Große Erwartungen setzt der Spitzenkandidat der Liberalen, Burkhardt Müller-Sönksen, in seinen „Inselwahlkampf“, bei dem er mehrere Ziele ansteuert: „Neuwerk gehört zum Bezirk Hamburg-Mitte. Sylt ist quasi Hamburger Stadtteil, und auf Mallorca leben nicht nur viele Hamburger, sondern auch rund 44.000 wahlberechtigte Deutsche.“ Wichtig sind Müller-Sönksen die Themen Wirtschaft, Hafen und Medien. Unterstützung erhofft er sich von dem Spitzenkandidaten Rainer Brüderle und dem Parteivorsitzenden Philipp Rösler, die beide zur Großveranstaltung der FDP (6.9.) in Hamburg erwartet werden.