Angela Merkel verweigert sich einem heißen Wahlkampffinale – zum Schrecken der SPD
Es war April, da machte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück seinen verzagten Genossen Mut. Er setze ganz, ließ er wissen, auf die heiße Wahlkampfphase, in der sich die politische Auseinandersetzung zuspitze. Nur wann wird es heiß? In dieser Woche hat die SPD nun offiziell die heiße Wahlkampfphase eingeläutet. Doch während die Sozialdemokraten Plakate, Strategien und Ideen präsentieren, kühlt die Kanzlerin den Wahlkampf herunter. Der Wettstreit der Ideen muss ohne Merkel beginnen. Sie ist in den Urlaub gefahren.
Ohnehin ist der Union an einem echten Kampf um die Stimmen kaum gelegen. Angela Merkel mag viele Fehler gemacht haben – aber sie macht keinen Fehler zweimal. Bei ihrer ersten Kandidatur 2005 wäre sie mit ihrer offensiven Reformrhetorik fast gescheitert. Im Kampf ums Kanzleramt gegen Gerhard Schröder büßte sie binnen Wochen dramatisch an Zustimmung ein und landete nicht wie erwartet bei über 40 Prozent, sondern nur bei 35,2 Prozent der Stimmen. Ihre Lehre aus diesem Fiasko war eindeutig – seitdem bietet sie dem politischen Gegner kaum noch Angriffsfläche. Programmatisch gemeindet sie Forderungen der Opposition in ihr Handeln ein und inszeniert sich als präsidiale Kanzlerin. Schon 2009 setzte sie auf einen aufreizend emotions-, ja konturenlosen Wahlkampf. Zum Entsetzen ihrer politischen Gegner kam sie im Schlafwagen ins Kanzleramt und demoralisierte die Sozialdemokraten. Auch in diesem Jahr lautet ihr Ziel, „asymmetrisch zu demobilisieren“. Damit umschreiben Experten die Strategie, dem politischen Gegner durch einen öden inhaltsleeren Wahlkampf seine Kraft zu rauben und dessen potenzielle Wähler von der Wahl abzuhalten. Mit dieser Taktik könnte sie im Duell mit Steinbrück Erfolg haben – dem Hamburger Herausforderer mangelt es an sozialdemokratischem Stallgeruch. Ihm gelingt es durch sein bisheriges Wirken und Auftreten kaum, bei SPD-Sympathisanten zu punkten.
Ein kurzer, langweiliger, heruntergekühlter Wahlkampf liegt ohnehin in der Zeit: Weil sich viele Wähler immer kurzfristiger entscheiden und Köpfe an die Stelle von Programmen treten, konzentrieren sich die Strategen auf die wenigen Wochen, ja Tage vor einer Wahl. Erst kurz vor Eröffnung der Wahllokale wird dann ein lautes wie schrilles Feuerwerk abgebrannt, während früher Kampagnen über Monate minutiös vorangetrieben wurden. Beim Wahlsieg Schröders 1998 etwa begann die SPD schon Anfang 1997, mehrere Motive zu schalten; ein Jahr vor dem Wahltermin lächelten dann überall im Land Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder von den Plakatwänden. Dosiert fuhren die Sozialdemokraten die Hitze im Wahlkampf hoch.
Eine vergleichbare Kampagne ist 2013 nicht erkennbar. Schon die Präsentation des Kandidaten Steinbrück misslang, danach wurde es nicht besser. Jede Woche muss sich die SPD eine kalte Dusche abholen. Gerade das Meinungsforschungsinstitut Forsa schafft es allwöchentlich, mit Horrorzahlen den Kampfesmut der SPD zu erschüttern, wenn nicht zu brechen. Mit jeder Woche aber, die ohne eine Trendwende vergeht, erinnert Peer Steinbrück mehr und mehr an Don Quijote.
Steinbrück bleiben gut sieben Wochen, den Trend zu drehen. Die politische Debattenlage hilft nicht, weder die Spähaffäre noch das Drohnen-Debakel mobilisieren die Sozialdemokraten in Scharen. Eine Chance bleibt ihm nur, wenn er die Kanzlerin selbst trifft und sich als der bessere Mann für das Land präsentiert. Steinbrücks größte Bühne ist das Kanzlerduell am 1. September. Hier wird er die coole Kanzlerin stellen und attackieren müssen. Er wird polarisieren müssen, ohne abzuschrecken. Und er muss endlich Feuer in den Wahlkampf bringen. Sehr wahrscheinlich ist es nicht. Aber auch nicht unmöglich.