Die Regierung will das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Homo-Ehe schnell umsetzen. Doch es gibt noch Widerstände. Die Union lehnt die Gleichstellung ab.
Berlin/Hamburg. Die Bundesregierung will die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur steuerlichen Gleichstellung von homosexuellen Lebenspartnerschaften offenbar schnell umsetzen. Das Finanzministerium von Wolfgang Schäuble (CDU) kündigte an, nun mit den Fraktionen zu besprechen, wie die Gesetzgebung „umgehend in die Wege geleitet werden kann“. Es sei möglich, dies noch in dieser Legislaturperiode abzuschließen.
Familienministerin Kristina Schröder (CDU), die sich wegen ihrer Zustimmung zur Gleichstellung in ihrer Partei viele Feinde gemacht hatte, sagte: „Ich finde das Urteil gut und richtig, denn es stellt klar, was auch für immer mehr Menschen in Deutschland selbstverständlich ist.“ Schröder hatte die Initiative vieler Abgeordneter unterstützt, die Homo-Ehe neu zu regeln. Vor allem aus Hamburg erhielt sie Rückenwind. Der Landesparteivorsitzende Marcus Weinberg sprach sich dafür aus, außerdem Ex-Bürgermeister Ole von Beust. Er hatte dem Abendblatt gesagt: „Warum werden kinderlose Ehen steuerlich privilegiert? Weil mit der Ehe die Partner ihre feste Bindung dokumentieren wollen, gegenseitig Verantwortung füreinander zu übernehmen, auch finanziell, und damit stabile Strukturen stärken und die Gesellschaft entlasten.“ Das müsse auch für gleichgeschlechtliche Partnerschaften gelten.
Adoptionsrecht gleichgeschlechtlicher Paare soll nicht angepasst werden
Weinberg sagte am Donnerstag, dass es jetzt keine „Spielchen auf Zeit“ geben dürfe. Sollte es Hürden geben, die Homo-Ehe noch vor der Bundestagswahl zu regeln, dann müsse es eines der ersten Vorhaben der neuen Legislaturperiode werden.
CSU-Chef Horst Seehofer sagte: „Wir versuchen das Urteil gesetzgeberisch zu vollziehen. Es wird zeitnah umgesetzt und nicht auf den Herbst verschoben“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. Der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stefan Müller, sagte: „Ein solches Verfahren ist in den verbleibenden zwei Sitzungswochen noch machbar.“ Das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare stehe aber nicht zur Debatte.
Durch die Union und die Regierungskoalition geht bei der Frage der Gleichstellung ein Riss. So forderte die Vereinigung der Lesben und Schwulen in der Union (LSU) die Regierung auf, die Gesetzesänderung nicht aus parteitaktischen Gründen hinauszuzögern. Die FDP sehe sich durch das Urteil auf ganzer Linie bestätigt, erklärte Generalsekretär Patrick Döring. Das sei ein „Schuss vor den Bug der Union, die sich in dieser Frage als Blockierer erwiesen hat“. „Es ist bedauerlich, dass die Union bisher nicht zu einer gesetzlichen Regelung bereit war, obwohl das Urteil so zu erwarten war“, sagte Parteichef Philipp Rösler. Außenminister Guido Westerwelle, der selbst in einer eingetragenen Partnerschaft lebt, erklärte, das Gericht habe damit klargestellt, dass Lebenspartnerschaften nicht nur gleiche Pflichten, sondern auch gleiche Rechte wie Ehen hätten.
Die Regierungskoalition sei eine Getriebene des Verfassungsgerichts, erklärte dagegen der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann. Sein Hamburger Fraktionskollege Johannes Kahrs, Beauftragter der SPD-Fraktion für die Belange von Lesben und Schwulen, sagte: „Peinlicher geht es langsam nicht mehr. Zum achten oder neunten Male wurde CDU und CSU nun schon höchstrichterlich die Verfassungswidrigkeit ihrer Haltung bescheinigt.“
Das Urteil bestätige den Weg, den Hamburg mit seiner „Hamburger Ehe“ als erste offizielle Partnerschaft von schwulen und lesbischen Paaren seit 1999 gegangen ist, sagte der Bürgerschaftsabgeordnete Farid Müller (Grüne). „Das ist ein großer Tag für alle Homo-Lebenspartner, die seit Jahren füreinander einstehen – bisher ohne echte Gleichstellung im Recht und bei der Steuer.“
Die Union lehnt die Gleichstellung ab, weil die Ehe als Keimzelle der Gesellschaft unter besonderem Schutz steht. Das Bundesverfassungsgericht sieht das anders: „Allein der besondere Schutz der Ehe und Familie in Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz vermag die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft nicht zu rechtfertigen“, heißt es im Urteil. Lebenspartnerschaften und Ehen seien gleichermaßen Gemeinschaften des Verbrauchs und Erwerbs und müssten steuerlich gleichbehandelt werden.
Zwei der acht Richter gaben allerdings ein Sondervotum ab. Sie griffen die rückwirkende Geltung der Gesetzesänderung an. Die Beschwerde zweier in einer eingetragenen Partnerschaft lebenden Männer betraf die steuerliche Veranlagung 2001 und 2002. Seit mehr als sieben Jahren kämpfte das Paar vergebens um Gleichbehandlung vor den Finanzgerichten.
In Deutschland gab es nach Angaben des Statistischen Bundesamtes knapp 34.000 eingetragene Partnerschaften, in Hamburg etwa 4000. Das Splitting für Lebenspartnerschaften würde laut Finanzministerium für die Zukunft unter 30 Millionen Euro im Jahr kosten. Zum Vergleich: Das Splitting führt bei allen Ehegatten insgesamt zu einer Steuerersparnis von knapp 20 Milliarden Euro im Jahr.
Kanzlerin Angela Merkel erntet für ihr Vorgehen beim Ehegattensplitting herbe Kritik aus Rheinland-Pfalz. „Eine Bundeskanzlerin, die sich zum wiederholten Male erst bewegt, wenn sie vom Bundesverfassungsgericht gezwungen wird, übt keine Richtlinienkompetenz mehr aus“, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD).