Das Urteil der Verfassungsrichter zur Besteuerung der Homo-Ehe setzt auf Tradition
Das Urteil der Bundesverfassungsrichter zur Homo-Ehe klingt revolutionär. Aber es ist keine Überraschung. So war es erwartet worden. Umso entlarvender ist die Tatenlosigkeit der regierenden Unionsparteien in dieser Fragestellung, die sich ja sonst nicht zu schade sind, politische Kehrtwendungen im Rekordtempo zu vollziehen. Zumal sich zuletzt nur noch eine hauchdünne Mehrheit in der Unionsfraktion dagegen sperrte, die gleichgeschlechtlichen Partnerschaften - sofern sie nach Gesetzesvorgaben eingetragen sind - auch steuerlich wie eine Ehe zwischen Frau und Mann zu behandeln.
Um nichts anderes geht es. Der Richterspruch markiert nicht die Abschaffung der traditionellen Ehe, ungeachtet ihres gesellschaftlichen Bedeutungsverlustes innerhalb nur einer Generation. Das höchstrichterliche Urteil wertet die Beziehung zwischen zwei Menschen eher noch auf, indem es die bisher durch Geschlechter gesetzten Grenzen wegwischt.
Einige Unionsabgeordnete hatten das klar erkannt. Im vergangenen Sommer haben sie die Forderung von Familienministerin Kristina Schröder (CDU) unterstützt, homosexuelle Lebenspartnerschaften auf eine Stufe mit der Ehe zu stellen. Nachdem die Karlsruher Richter zuvor bereits die Ungleichbehandlung der Homo-Ehe beim Familienzuschlag für Beamte, Richter und Soldaten gekippt hatten, erschien es der Ministerin klüger, die steuerliche Gleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnerschaften als "unsere eigene politische Entscheidung" zu präsentieren. Damals folgte die Partei ihr nicht. Jetzt muss die Regierung den Vorgaben des Verfassungsgerichts folgen. Eine politische Schlappe, die abzusehen war.
Das Gericht handelt da mit mehr Konsequenz: Wer weniger aus konfessionell-religiösen, sondern mehr aus ethisch-moralischen Erwägungen verbindliche Partnerschaften zweier Menschen fördern und unterstützen will, kann in unserer liberalen Gesellschaft den Wandel in der Wirklichkeit nicht ignorieren.
Diese Wirklichkeit ist in vielen Gesetzen ablesbar. Lebenspartnerschaften sind, gerade in finanzieller Hinsicht, seit Jahren Ehen gleichgestellt. 2005 trat das Gesetz in Kraft, das Unterhaltsrecht, Stiefkindadoption und die Rente für hinterbliebene Partner regelte - geschlechtsübergreifend. Anders ausgedrückt: Wer eine Partnerschaft eintragen lässt, übernimmt damit auch viele Pflichten, muss aufkommen, wenn sein Gegenpart in Not gerät oder kein eigenes Einkommen besitzt.
Wenn zwei Menschen füreinander einstehen und bekunden, ihr Leben zu teilen, entlastet das auch den oft überforderten Staat. Denn bevor dieser bei Bedürftigkeit mit seinen Sozialleistungen einspringt, ist zunächst einmal der Partner gefragt, und zwar unabhängig von seinem Geschlecht. Wenn der Staat solcherart Beistand fordert, muss er auch die Partnerschaft fördern. Steuerlich heißt das: Was beide erwirtschaften, gehört beiden zu gleichen Teilen, auch wenn die Einkommen je unterschiedlich sind.
Deshalb macht es überhaupt keinen Sinn, mit dem Urteil des Verfassungsgerichts das Ehegattensplitting gleich komplett infrage zu stellen, ein Bestreben des politisch linken Lagers. Das ignoriert gerne folgenden Tatbestand: Das Splitting ist nie als Förderung von Ehe oder von Familien mit Kindern eingeführt worden, wie heute oft unterstellt wird. Es geht vielmehr selbst auf einen Spruch des Bundesverfassungsgerichts zurück. 1958, zu Zeiten der konservativen Regierung unter Kanzler Konrad Adenauer, bemängelten die obersten Richter, dass Ehepaare bei der Besteuerung benachteiligt seien. Auch bei nur einem Verdiener sei das Einkommen zu behandeln, als würde beiden je die Hälfte zustehen. Damals reagierte der Bundestag schnell und beschloss per Steuerreform das Splitting.