Höchste Richter entscheiden: Ehegattensplitting gilt auch für eingetragene Partnerschaften. Derzeitigen Regelungen im Einkommenssteuergesetz seien verfassungswidrig.
Karlsruhe/Berlin. Klare Anweisung aus Karlsruhe: Der Staat muss homosexuelle Paare im Steuerrecht vollständig gleichstellen. Das hat das Bundesverfassungsgericht in einem als historisch gewerteten Beschluss entschieden. Menschen in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft müssten wie heterosexuelle Ehepaare die Steuervorteile des sogenannten Ehegattensplittings geltend machen können. Die derzeitigen Regelungen im Einkommenssteuergesetz seien verfassungswidrig, urteilten die höchsten Richter (Az.: 2 BvR 909/06).
Mit der Entscheidung drängte das Verfassungsgericht die schwarz-gelbe Bundesregierung zum wiederholten Mal, sogenannte Homo-Ehen rechtlich aufzuwerten. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte, er werde für eine rasche Umsetzung sorgen. Die SPD kritisierte, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre Regierung reagiere immer erst dann, wenn Karlsruhe es von ihr einfordere. "Merkels Koalition ist eine Getriebene des Bundesverfassungsgerichts", sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sprach von einer "weiteren Ohrfeige" für das "verstaubte Gesellschaftsbild" der Bundesregierung. Der Lesben- und Schwulenverband mahnte, jetzt sei die vollständige Gleichstellung geboten. Nach Auffassung von Hamburgs Justiz- und Gleichstellungssenatorin Jana Schiedek (SPD) muss die Bundesregierung jetzt "über ihren Schatten springen und die Lebens- und Verfassungswirklichkeit des Jahres 2013 anerkennen. Schwule und Lesben haben lange genug gewartet".
In dem neuen Karlsruher Beschluss wird verlangt, die Steuergesetze rückwirkend zum 1. August 2001 zu ändern. Seit diesem Tag gibt es eingetragene Lebenspartnerschaften in Deutschland. Übergangsweise sollen die derzeitigen Regeln zum Ehegattensplitting auf die homosexuellen Lebenspartnerschaften angewendet werden. Nach Berechnungen von Steuerrechtsexperten werden die 34.000 eingetragenen Lebenspartnerschaften um etwa 44 Millionen Euro pro Jahr entlastet.
In der Berliner Koalition stieß das Urteil auf unterschiedliche Resonanz. FDP-Chef Philipp Rösler sagte: "Es ist bedauerlich, dass die Union bisher nicht zu einer gesetzlichen Regelung bereit war, obwohl das Urteil so zu erwarten war." Auch Außenminister Guido Westerwelle (FDP), der seit 2010 mit dem Veranstaltungsmanager Michael Mronz in einer eingetragenen Partnerschaft lebt, hatte sich mehrfach für eine Gleichstellung eingesetzt.
Die Unions-Fraktion will an diesem Freitag in einer Sondersitzung über Konsequenzen aus dem Urteil beraten. Der CDU-Abgeordnete Jan-Marco Luczak sagte der "Berliner Zeitung": "Ich erwarte, dass wir jetzt das Heft des Handelns in die Hand nehmen." Allerdings hatte die CDU erst vor wenigen Monaten beschlossen, das Ehegattensplitting nur der Ehe zwischen Mann und Frau vorzubehalten. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte, die Privilegierung von Ehe und Familie müsse auch künftig außer Frage stehen.
Auch die katholische Kirche übte scharfe Kritik an dem Urteil. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, sagte, die Kirche lehne die Gleichbehandlung von Ehe und eingetragener Partnerschaft ab.