Bundesverfassungsgericht hat Beschränkungen beim Adoptionsrecht für homosexuelle Lebenspartner für verfassungswidrig erklärt.
Karlsruhe/Straßburg. Mehr Rechte für homosexuelle Paare in Deutschland und Europa: Das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) haben am Dienstag in unterschiedlichen Fällen Einschränkungen bei Adoptionen für rechtswidrig erklärt.
In Deutschland dürfen Schwule und Lesben in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft künftig auch Adoptivkinder ihres Partners zusätzlich selbst adoptieren, damit das Kind rechtlich zwei Eltern hat. Bislang war eine solche „Sukzessivadoption“ nur bei heterosexuellen Ehepaaren möglich. Dies verstoße gegen das Recht auf Gleichbehandlung, entschieden die Verfassungsrichter in dem am Dienstag verkündeten Urteil.
Der Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg rügte unterdessen das österreichische Verbot der „Stiefkindadoption“ für homosexuelle Paare. Auch Schwule und Lesben sollten die Möglichkeit haben, die leiblichen Kinder ihrer Partner zu adoptieren, befand der EGMR am Dienstag.
Die Karlsruher Richter betonte in ihrer Entscheidung: „Es ist davon auszugehen, dass die behüteten Verhältnisse einer eingetragenen Lebenspartnerschaft das Aufwachsen von Kindern ebenso fördern können wie die einer Ehe.“ Die zusätzliche Adoption durch den zweiten Partner sei geeignet, „stabilisierende entwicklungspsychologische Effekte zu entfalten“. Außerdem werde die rechtliche Stellung des Kindes verbessert; insbesondere profitiere ein Kind bei Unterhalt und Erbrecht von der doppelten Elternschaft.
Die Entscheidung betrifft nicht die Frage der gemeinschaftlichen Adoption durch beide Lebenspartner. Auch hier gibt es Ungleichbehandlung: Ehepaare können gemeinsam Kinder adoptieren, Lebenspartner nicht. Ob diese Benachteiligung zulässig ist, ließen die Richter offen. Derzeit sind hierzu sind keine Verfahren in Karlsruhe anhängig. Für eine Neuregelung setzten die Richter eine Frist bis zum 30. Juni 2014. Eine Sukzessivadoption für eingetragene Lebenspartner ist nach der Entscheidung des Gerichts jedoch ab sofort möglich.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) forderte: „Alle gleichgeschlechtlichen Paare sollen rechtlich mit der Ehe gleichgestellt werden.“ Ihr Koalitionspartner reagierte zurückhaltender: Die rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion Andrea Voßhoff, bezeichnete das Urteil als „vertretbar“. Eine gemeinschaftliche Adoption lehnte Voßhoff ab: „Wir sind nach wie vor der Auffassung, dass Vater und Mutter für das Kind gut sind.“
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast bezeichnete das Karlsruher Urteil als Sieg für die Kinder: „Familie ist da, wo Erwachsene Verantwortung übernehmen – egal, ob Hetero oder Homo.“ SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück mahnte ein modernes Adoptionsrecht für Homo-Ehen an. „Es muss endlich erlaubt sein, dass auch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften Kinder adoptieren und ein normales Familienleben führen können.“
Der Straßburger Gerichtshof betonte in seiner Entscheidung zur Stiefkindadoption, „dass die Konvention Staaten nicht verpflichtet, gleichgeschlechtlichen Paaren die Möglichkeit zu geben, zu heiraten“. Wenn ein Staat eine andere Form der rechtlichen Anerkennung für gleichgeschlechtliche Paare wählt, so habe er bei der konkreten Ausgestaltung einen gewissen Beurteilungsspielraum. In Deutschland ist die Stiefkindadoption für homosexuelle Lebenspartner bereits erlaubt; bei unverheirateten Paaren ist eine Stiefkindadoption hingegen nicht möglich, unabhängig von der sexuellen Orientierung der Partner.
Das lesbische Paar aus Österreich, das in Straßburg geklagt hatte, kann erst jetzt eine wirkliche Prüfung seines Falls im Heimatland beantragen. Wegen des bisherigen Verbots der Stiefkindadoption hatten die österreichischen Gerichte den Fall pauschal abgewiesen.