Bildungsministerin klagt gegen Entzug des Doktortitels. Sie sei laut SPD und Grünen als Wissenschaftsministerin nicht mehr glaubwürdig.
Hamburg/Berlin. Die Affäre um den entzogenen Doktortitel von Bildungsministerin Annette Schavan setzt die Bundesregierung und die CDU im Wahlkampf gehörig unter Druck. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte zwar, sie habe "volles Vertrauen" in Schavan. Eine Jobgarantie gab es allerdings nicht. Schavan selbst, die sich auf einer politischen Reise in Südafrika befindet, will gegen die Aberkennung ihres 1980 erworbenen Doktortitels juristisch vorgehen: "Die Entscheidung der Universität Düsseldorf werde ich nicht akzeptieren und dagegen Klage einreichen."
Ihre Anwälte teilten mit: "Die Entscheidung ist in einem fehlerhaften Verfahren zustande gekommen, und sie ist auch materiell rechtswidrig." Die Universität sprach dagegen in einer Erklärung von bewusster Täuschung. Schavan habe als "damalige Doktorandin systematisch und vorsätzlich über die gesamte Dissertation verteilt gedankliche Leistungen" vorgegeben, die sie "in Wirklichkeit nicht selbst erbracht hatte". Schavans Erklärungen könnten dieses Urteil nicht entkräften.
Die Opposition von SPD und Grünen sowie der Hochschulverband forderten den Rücktritt Schavans. Sie sei als Wissenschaftsministerin nicht mehr glaubwürdig. "Geschummelt ist geschummelt", sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Schavan sei als Vorbild für Doktoranden, die wissenschaftliche Regeln unbedingt einhalten müssten, ungeeignet.
Unterstützung erhielt die Ministerin aus der eigenen Partei. Der Hamburger CDU-Landeschef Marcus Weinberg sagte dem Abendblatt: "Annette Schavan ist davon überzeugt, dass ihre Doktorarbeit kein Plagiat ist. Aus diesem Grund finde ich die Klage gegen das Urteil der Universität richtig. Solange über die Klage noch nicht entschieden ist, besteht auch kein Grund, dass sie ihr Amt als Ministerin abgibt."
Allerdings kann der Prozess Monate dauern - und am 22. September ist Bundestagswahl. Die frühere Hamburger Wissenschaftssenatorin und Bildungsexpertin Krista Sager (Grüne) sagte: "Im Fall Schavan kenne ich kaum jemanden, der ernsthaft der Meinung ist, Frau Schavan könne nun tatsächlich Bildungs- und Forschungsministerin bleiben. Sie kann den Wissenschaftsbereich in diesem Amt nicht mehr glaubwürdig vertreten." Sie kenne keinen Fall, in dem ein Verwaltungsgericht "das fachliche Urteil einer deutschen Universität zu Plagiaten revidiert hat", sagte die Grünen-Politikerin.
Hamburgs Universitäts-Präsident Dieter Lenzen sagte dem Abendblatt: "Die Entscheidung der Universität Düsseldorf war für viele eine Überraschung. Inwieweit sie trägt, haben nun die Gerichte zu entscheiden." Dabei werde zu prüfen sein, inwieweit die Unterstellung einer Täuschungsabsicht Bestand hat und ob das Verfahren rechtsfehlerfrei geführt worden sei.
Abwarten will zunächst auch der Koalitionspartner FDP. Generalsekretär Patrick Döring sagte, die Liberalen respektierten Schavans Entscheidung, den Rechtsweg zu beschreiten.
Nach einer Umfrage des Fernsehsenders N 24 befürworten 61 Prozent der Deutschen einen Rücktritt der Ministerin. Selbst unter CDU-Anhängern sprach sich eine Mehrheit (58 Prozent) für Schavans Ausscheiden aus dem Kabinett aus.