Bildungsministerin will um ihren aberkannten Doktortitel kämpfen. Doch bleibt sie im Kabinett? Kanzlerin will mit Schavan in Ruhe reden.
Berlin/Johannesburg. Nach der Aberkennung ihres Doktortitels ist die politische Zukunft von Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) offen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert „volles Vertrauen“ in Schavan. Wie andere hohe Regierungsvertreter vermied Seibert aber ein ausdrückliches Bekenntnis zum Verbleib Schavans im Amt. Schavan machte in Johannesburg deutlich, dass sie vor Gericht um ihren Titel kämpfen will. Die Opposition verlangte den Rücktritt der Ministerin und Merkel-Vertrauten. Auch aus der Wissenschaft wurden Zweifel laut.
Seibert sagte, nach der für Freitagabend erwarteten Rückkehr der Ministerin von einer Südafrika-Reise werde „Gelegenheit sein, in Ruhe miteinander zu reden“. Die genaue Zeit ließ er offen. „Ein solcher Termin wird sich immer finden, wenn es nötig ist.“ Merkel stehe „in gutem Kontakt“ mit Schavan. „Sie schätzt ihre Leistung als Ministerin außerordentlich. Sie hat volles Vertrauen in sie.“ Merkel ist bis Freitag beim EU-Gipfel in Brüssel. Seibert sagte, Schavan werde in Deutschland sicher „auch erneut und ausführlicher Stellung nehmen, als das aus dem Ausland möglich und angebracht ist“.
Auf ihrer Südafrika-Reise sagte Schavan (57) vor Journalisten nur: „Die Entscheidung der Universität Düsseldorf werde ich nicht akzeptieren und dagegen Klage einreichen.“ Sie ergänzte: „Mit Blick auf die juristische Auseinandersetzung bitte ich um Ihr Verständnis, dass ich heute keine weitere Stellungnahme abgeben werde.“
Die Uni Düsseldorf hatte Schavan am Dienstag nach neun Monaten Prüfung wegen „vorsätzlicher Täuschung“ in ihrer Promotionsarbeit den vor 33 Jahren erworbenen Doktortitel entzogen. Im Fakultätsrat waren 12 von 15 stimmberechtigten Mitgliedern für die Aberkennung. Es gab zwei Nein-Stimmen und eine Enthaltung. Erste Plagiatsvorwürfe gegen die Ministerin waren Ende April 2012 anonym im Internet aufgetaucht. Für das Einreichen einer Klage vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf hat sie einen Monat Zeit. Ein Prozess könnte monatelang dauern.
Die Opposition forderte Schavans Rücktritt. „Geschummelt ist geschummelt“, sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Als Vorbild für Doktoranden, die wissenschaftliche Regeln unbedingt einhalten müssen, sei sie ungeeignet. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte: „Bei allem Verständnis für die menschliche Härte dieser Entscheidung: Eine Wissenschaftsministerin, die wegen systematischer und vorsätzlicher Täuschung des Plagiats überführt wird und der daraufhin ihre Promotion aberkannt wird, ist nicht mehr tragbar.“ Linke-Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn sagte: „Frau Schavan sollte ihre Weigerung zurückzutreten überdenken.“
Aus der Union erhielt sie Rückendeckung. In Parteikreisen wurde aber offengelassen, ob Schavan dem öffentlichen Druck Stand halten werde. „Annette Schavan ist eine äußerst erfolgreiche Ministerin“, sagte Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU). Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte: „Ich finde, wir sollten ihr Gelegenheit geben, erstens diese Reise zum Abschluss zu bringen und dann Stellung zu nehmen zu dem, was die Universität Düsseldorf gestern veröffentlicht hat.“ FDP-Generalsekretär Patrick Döring sagte, die Liberalen respektierten Schavans Entscheidung, den Rechtsweg zu beschreiten. „Dieses Verfahren gilt es abzuwarten.“
Für den Deutschen Hochschulverband ist es nach den Worten seines Präsidenten Bernhard Kempen aber „sehr schwer vorstellbar“, dass Schavan im Amt bleibt. Sie sollte die Entscheidung der Universität „zunächst als Faktum“ akzeptieren, sagte er. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es klug wäre, unter diesen Umständen weiter im Amt zu bleiben.“ Der Verband vertritt 27.000 Universitäts-Professoren.
Schavan ist nach dem ehemaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) das zweite Regierungsmitglied im Kabinett Merkel, dem wegen Plagiatsvorwürfen der Doktorgrad entzogen wurde.