2012 gab es 2,2 Milliarden Euro Überschüsse im Gesamthaushalt. Aber in diesem Jahr wächst die Wirtschaft voraussichtlich kaum noch.
Berlin. Der Bundesfinanzminister hätte einfach nur zufrieden, vielleicht sogar ein bisschen stolz sein können, denn die Zahlen klingen erfreulich: Der Bund hat im vergangenen Jahr nur 22,5 Milliarden Euro neue Schulden machen müssen - das waren fast zehn Milliarden Euro weniger als noch Mitte 2012 erwartet. Und erstmals seit Beginn der Finanzkrise im Jahr 2008 verzeichnet der gesamte Staatshaushalt sogar wieder ein leichtes Plus. Bund, Länder, Kommunen und die Sozialkassen nahmen 2,2 Milliarden Euro (0,1 Prozent) mehr ein, als sie ausgaben. Einen solchen Staatsüberschuss hatte es zuletzt vor fünf Jahren gegeben.
Doch Wolfgang Schäuble beließ es bei der Aussage, er sei "hocherfreut" - und konzentrierte sich darauf, alle Begehrlichkeiten, die solche Nachrichten in einem Wahljahr wecken könnten, im Keim zu ersticken: Das Ziel, möglichst schon 2014 einen Bundeshaushalt ohne neue Schulden zu erreichen, sei in "greifbare Nähe gerückt", betonte Schäuble am Dienstag bei der Vorstellung des vorläufigen Haushaltsabschlusses 2012.
Hochrangige Vertreter seines Ministeriums warnten davor, den bisherigen Kurs zu lockern. Trotz der guten Zahlen für 2012 gebe es keinen Spielraum für neue Ausgabenprogramme. An der konservativen Ausgabenlinie und der wachstumsfreundlichen Konsolidierung müsse festgehalten werden, die Zügel dürften nicht gelockert werden. "Kurs halten, das ist das Gebot der Stunde", hieß es. Eine klare Absage an jede Form von Wahlgeschenken.
Der Fiskus profitierte von der robusten Konjunktur, steigenden Löhnen und Rekordbeschäftigung. Während andere Euro-Länder unter Rezession und Sparprogrammen ächzen, ist Deutschland somit weit entfernt von der Marke von 3,0 Prozent, die der Maastricht-Vertrag höchstens als Staatsdefizit erlaubt. 2011 hatte Deutschland noch mit einem gesamtstaatlichen Defizit von 0,8 Prozent abgeschlossen.
Rückendeckung erhielt Schäuble vom haushaltspolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Norbert Barthle. Die Koalition müsse weiter diszipliniert bei den Ausgaben sein und Mehreinnahmen oder geringere Ausgaben zum Abbau der Neuverschuldung nutzen, sagte der CDU-Politiker. Das Ergebnis des Etats 2012 sei "ein Ansporn, für 2014 einen Bundeshaushalt ohne strukturelles Defizit aufzustellen".
Und aus der Ferne sekundierte der künftige Chef des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. Der Oxforder Finanzwissenschafter Clemens Fuest warnte angesichts des Milliarden-Überschusses vor Selbstzufriedenheit. "So ein Überschuss kann auch sehr schnell wieder verschwinden." Volle Kassen hätten die Politik bislang immer dazu verführt, neue Ausgaben zu beschließen. Nun müsse sie die Chance zur Haushaltssanierung nutzen. "Sonst muss in zehn Jahren umso radikaler gespart werden", sagte der Ökonom.
Das Bundesfinanzministerium stimmte bereits auf ein Ende des Steuerbooms ein: Die Zeiten monatlich kräftig steigender Einnahmen neigten sich im Zuge der Konjunkturabkühlung dem Ende entgegen, das Dezember-Ergebnis zeige "schon leichte Bremsspuren gegenüber dem Vorjahr", hieß es.
Dieser eher pessimistische Ausblick wurde schon wenige Stunden später durch neue Wirtschaftsdaten bestätigt: Demnach hat die deutsche Wirtschaft im vergangenen Jahr der Krise in Europa zwar getrotzt, das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg um 0,7 Prozent, berechnete das Statistische Bundesamt. Allerdings bremsen die Turbulenzen die größte Volkswirtschaft Europas. Im vierten Quartal 2012 sank das BIP nach Schätzung der Statistiker um 0,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal und damit so stark wie seit dem Höhepunkt der Finanzkrise Anfang 2009 nicht mehr. Nun steht auch Deutschland an der Schwelle zur Rezession. Sie gilt als gegeben, wenn die Wirtschaftskraft zwei Quartale in Folge sinkt. "Die Lage ist deutlich schlechter als die Stimmung", sagte Finanzwissenschaftler Fuest. "Die Euro-Krise ist noch lange nicht vorbei."
+++ Kommentar: Der Staat kassiert genug +++
In ihrem Jahreswirtschaftsbericht, den Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) an diesem Mittwoch vorstellen wird, nimmt die Bundesregierung ihre Wachstumsprognose für das laufende Jahr denn auch um mehr als die Hälfte zurück. Ein Vertreter des Wirtschaftsministeriums sagte der Nachrichtenagentur Reuters: "Die Zahl 0,4 Prozent ist richtig." Bislang war die Regierung von einem Zuwachs der Wirtschaftsleistung um 1,0 Prozent ausgegangen. Für 2014 rechne die Regierung aber wieder mit einem Wachstum von 1,6 Prozent, sagte der Ministeriumsvertreter.
Die Arbeitsmarktentwicklung wird nach Einschätzung der Regierung positiv bleiben. Im Jahresdurchschnitt sei eine Steigerung der Erwerbstätigenzahl um 15.000 zu erwarten, sagte der Ministeriumsvertreter. Damit bestätigte er einen Vorabbericht der "Bild"-Zeitung. Die Arbeitslosigkeit werde nur geringfügig um etwa 60.000 Personen steigen. Das "Handelsblatt" berichtet, die Regierung gehe bei ihrer Prognose davon aus, dass die deutsche Wirtschaft nach einem schwachen Start im zweiten Halbjahr wieder deutlich schneller wachsen wird. Die Prognose beruhe allerdings auf der Annahme, dass es keine weiteren negativen Entwicklungen in der Schuldenkrise gebe.