Kanzlerin feiert Schwarz-Gelb als „erfolgreichste Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“ – Erbitterter Streit über Griechenland-Rettung
Berlin. Schaulaufen für die Bürger: In der Generaldebatte über den Haushalt haben sich Regierung und Opposition im Bundestag für den Wahlkampf 2013 in Stellung gebracht. Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel stellte ihrer Koalition aus Union und FDP ein blendendes Zeugnis aus. „Diese Bundesregierung ist die erfolgreichste Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“, sagte sie am Mittwoch. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hielt ihr im Gegenzug Versagen vor und rügte „die dröhnende Selbstbeweihräucherung“ der Koalition.
Die Generaldebatte ist traditionell Höhepunkt der einwöchigen Schlussberatungen über den Etat des Bundes, der Freitag verabschiedet wird. Der Bund soll 2013 rund 302 Milliarden Euro ausgeben dürfen, davon werden 17,1 Milliarden über neue Schulden finanziert.
Merkel lobte, unter Schwarz-Gelb habe die Arbeitslosigkeit den tiefsten Stand seit 1990 erreicht, und die Ausgaben für Bildung und Forschung seien so hoch wie nie. Zudem seien die Kommunen in bisher nicht gekanntem Ausmaß entlastet worden. Insgesamt sei die Bundesrepublik stärker aus der Krise 2008 und 2009 herausgekommen, als sie hineingegangen sei.
Merkel versicherte, ihre Regierung stehe für solide Staatsfinanzen. Schon im kommenden Jahr erfülle der Bund die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse – drei Jahre früher als vorgeschrieben. Und 2016 werde die Nettokreditaufnahme des Bundes sogar auf null sinken, erstmals seit 1969. Als weitere Erfolge der Koalition wertete Merkel die Aussetzung der Wehrpflicht und die Abschaffung der Praxisgebühr ab Januar 2013.
Steinbrück kritisierte dagegen, Union und FDP hätten an der guten wirtschaftlichen Entwicklung der vergangenen drei Jahre keinen Anteil, sondern „mehr Glück als Verstand“ gehabt. „Diese Bundesregierung hat dieses Land weder im Hier und Jetzt gestaltet, noch für die Zukunft vorgesorgt.“ Dies stehe in „merkwürdigem Gegensatz zur dröhnenden Selbstbeweihräucherung“. Die Koalition kämpfe nur noch mit und für sich selbst, kümmere sich aber nicht um die Probleme der Bevölkerung. Beispiel seien die grassierenden Niedriglöhne, die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern, die steigenden Strompreise oder die steuerliche Ungleichbehandlung von homosexuellen Lebenspartnern. Versagen sei auch bei der Umstellung auf erneuerbare Energien festzustellen. „Jede Frittenbude in Deutschland wird besser gemanagt als diese Energiewende.“
„Wir werden Opfer bringen müssen“
Ein Schwerpunkt der Debatte war die Frage, ob und wann Deutschland mit Milliarden an Steuergeld für die Griechenland-Rettung bezahlen muss. Steinbrück verlangte, angesichts der unklaren Lage müsse der Beschluss des Bundeshaushalts 2013 verschoben werden. Es sei offenkundig, dass das überschuldete Euro-Land mehr Zeit für Reformen brauche und eine riesige Finanzlücke zu decken habe. Die Kanzlerin traue sich aber immer noch nicht, der deutschen Öffentlichkeit die Wahrheit zu sagen, nämlich dass die Bundesrepublik zahlen müsse. „Wir werden Opfer bringen müssen“, sagte Steinbrück.
Merkel unterstützte den Vorschlag der Euro-Gruppe, Athen zwei Jahre länger Zeit bis 2022 einzuräumen, um seine Staatsverschuldung auf ein erträgliches Niveau zu senken. Zur Finanzierung der damit verbundenen Zusatzkosten sagte sie aber nichts und verwies auf die nächste Sitzung der Euro-Finanzminister am Montag in Brüssel.
Abstriche am harten Sanierungskurs für Griechenland lehnte die CDU-Chefin erneut ab. Die Strukturreformen müssten zum „Wohl der Menschen“ durchgezogen werden, damit das Land wieder auf eigenen Füßen stehen könne. Deutschland helfe dabei, etwa beim Verwaltungsaufbau. Die verbreitete Sehnsucht nach dem einen, umfassenden Befreiungsschlag sei unrealistisch.
„Ansehen Deutschlands nie so schlecht wie heute“
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warf der Bundeskanzlerin ebenfalls vor, sie verschweige gegenüber der Öffentlichkeit, dass die Finanzkrise in der Euro-Zone sehr viel deutsches Steuergeld kosten werde. Außerdem gefährde sie mit ihrer Politik den Zusammenhalt Europas. „Das Ansehen Deutschland bei den G-20 und in Europa war noch nie so schlecht wie heute.“
FDP-Chef Rainer Brüderle warnte, eine Regierungsübernahme von Rot-Grün würde die Bürger teuer zu stehen kommen. Die Kombination aus einem SPD-Kanzler Steinbrück und einem Grünen-Finanzminister Trittin würde Deutschland 40 Milliarden pro Jahr kosten, weil beide erhebliche Steuererhöhungen planten. Beide würden Deutschland und Europa in die Rezession führen, prophezeite er.
Die Linke forderte eine Kehrtwende in der Regierungspolitik. Es sei bittere Realität, dass viele Bürger ihre Stromrechnungen nicht mehr bezahlen könnten, die Mieten stiegen und die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aufgehe. „Reiche dürfen nicht immer reicher werden“, forderte Kipping. Die Linke forderte zudem die Abschaffung von Hartz IV, einen Mindestlohn sowie ein Ende von Waffenexporten und militärischen Kampfeinsätzen der Bundeswehr.
Kipping kritisierte auch Steinbrück scharf, weil er ein rot-rotes Bündnis im Bund kategorisch ablehnt. Der SPD-Politiker tue dies „aus purer Ideologie“, sagte die Linke. Dies komme einer „Lebensversicherung“ für Kanzlerin Merkel gleich und verhindere den von ihrer Partei geforderten Wechsel.