Türkischer Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan eröffnet neue Vertretung in Berlin und betont gute Beziehungen zu Deutschland.
Berlin. Sie ist Zeichen eines neuen Selbstbewusstseins und steht gleichzeitig in historischer Tradition: Die Republik Türkei kehrt nach mehr als einem halben Jahrhundert mit einer eigenen Botschaft in das Berliner Diplomatenviertel zurück. Zwischen den Vertretungen von Südafrika und Italien hat die Türkei im Berliner Stadtteil Tiergarten nun ihre weltweit größte Auslandsdependance.
Mit dem auf 30 Millionen Euro bezifferten Bau setzt die Türkei ein Signal für den Stellenwert, den sie den historisch guten Beziehungen zu Deutschland beimisst. Rund 2,5 Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln leben in der Bundesrepublik, allein in Berlin haben mehr als 100 000 Menschen einen türkischen Pass. Deutschland gehört zu den wichtigsten Handelspartnern der Türkei. Von 1918 an hatte hier bereits das Osmanische Reich seine Vertretung, 1923 folgte die Republik Türkei. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Botschaft zerstört.
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat die neue Botschaft gestern eröffnet. Der Neubau sei als "ein Symbol der tief verwurzelten Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei", sagte er. Der historische Ort, an dem sie errichtet wurde, zeige, wie lange die Freundschaft zwischen den beiden Ländern schon währe.
Erdogan rief die in Deutschland lebenden Türken dazu auf, selber einen Beitrag zur Integration zu leisten, ohne ihre türkische Identität aufzugeben. "Wir wollen, dass die Türken in Deutschland fließend Deutsch sprechen", sagte er "In diesem Sinne müssen sie Doppelsprachler sein und sich mehr und mehr am Leben beteiligen." Sie sollten nicht nur türkische Autoren kennen, "sondern auch Hegel, Kant und Goethe verstehen", sagte der Ministerpräsident zu den mehrheitlich türkischen Gästen in der Botschaft. Als Beispiel für eine gelungene Integration nannte Erdogan den deutschen Fußballnationalspieler mit türkischen Wurzeln, Mesut Özil. Zwar gebe es Türken, die dessen Entscheidung, für das deutsche Team zu spielen, mit gemischten Gefühlen betrachteten, aber die meisten Türken seien dennoch stolz auf seinen Erfolg.
Zu der Feier kamen mehr als 1400 Gäste, darunter Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP). Er sprach sich für eine weitere Annäherung zwischen der Türkei und der EU aus. Der Stillstand in den Beitrittsverhandlungen seit zwei Jahren sei für beide Seiten nicht gut. Im kommenden Jahr solle hier ein "neuer Anfang" gemacht werden. Die Türkei habe viele Reformen verwirklicht. "Viel bleibt zu tun, aber wichtige Etappen sind geschafft", sagte Westerwelle. Der Außenminister betonte die enge Partnerschaft mit Ankara auch angesichts der dramatischen Lage in Syrien. "Als Nato-Partner stehen wir Deutsche an der Seite der Türkei." Er lobte die Besonnenheit der türkischen Regierung und versicherte ihr die deutsche Solidarität. Mehr als 100 000 Flüchtlinge aus Syrien haben in der Türkei Zuflucht gesucht.
Bei seinen politischen Gesprächen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird es heute auch um die Lage in Syrien und um die Situation der syrischen Flüchtlinge gehen. Die Bundesregierung ist bisher der Ansicht, dass den Flüchtlingen am besten in der Region geholfen werden kann. Berlin hat dafür über 50 Millionen Euro für humanitäre Hilfe zur Verfügung gestellt - vor allem für Flüchtlinge in Syrien selbst.
Ein Streitthema zwischen Berlin und Ankara ist auch das Kurdenproblem. Erdogan wirft Deutschland und Frankreich vor, nicht entschlossen genug gegen die als terroristisch eingestufte kurdische PKK vorzugehen. Auch die angestrebte, aber in weite Ferne gerückte EU-Mitgliedschaft der Türkei dürfte zur Sprache kommen.
"Wir bereiten uns darauf vor, dass wir Vollmitglied in der EU werden", sagte Erdogan. Auf die Frage, ob die Türkei bis 2023 EU-Mitglied sein werde, antwortete er: "So lange wird man uns nicht hinhalten, oder?" Selbstbewusst bot der türkische Regierungschef auch Hilfe in der Euro-Finanzkrise an. "Wir erstarken von Tag zu Tag", sagte er. Die Türkei werde jeden Beitrag leisten, damit die Euro-Krise überwunden werden könne. Sein Land werde keine Belastung für die EU sein. "Wir kommen, um Last zu übernehmen."
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) äußerte sich dagegen besorgt über die Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei. Hier gebe es Rückschritte, sagte sie zum Start einer viertägigen Türkeireise. In internationalen Berichten werde beklagt, dass in der Türkei zuletzt doppelt so viele Journalisten inhaftiert worden seien wie 2011.
Der Berliner Botschaftsbau steckt voller Symbolik für die Annäherung der Türkei an Europa. Hinter der roten Kalksteinfassade, auf der neben dem 16 Meter hohen Tor der Halbmond mit dem Stern glänzt, öffnet sich ein verglastes Atrium mit dem Namen "Bosporus" - eine symbolische Brücke zwischen Europa und Anatolien. Sie verbindet den Bürotrakt ("City") und den repräsentativen Teil ("Palast"), in dem sich das Botschafterbüro befindet. Etwa 100 Mitarbeiter werden in die neue Botschaft einziehen. Bis zu 150 Menschen können hier arbeiten.