EZB-Chef stellt sich im Bundestag seinen Kritikern. Sorgen vor Inflation nennt er unbegründet, sein Vorgehen sieht er vom Mandat gedeckt.
Berlin. EZB-Präsident Mario Draghi hat den umstrittenen Kurs der Europäischen Zentralbank (EZB) in der Euro-Krise im Bundestag vehement verteidigt. In einer Sitzung des Haushalts-, Finanz- und Europa-Ausschusses wies er am Mittwoch in Berlin Befürchtungen vor einer stärkeren Inflation zurück. Übermäßige Risiken für die Steuerzahler sieht der EZB-Chef nicht. Draghi betonte zugleich, dass das Anleihekaufprogramm zu keiner versteckten Staatsfinanzierung führe. „Bei der Festlegung der Modalitäten haben wir insbesondere darauf geachtet, dass gerade dies verhindert wird“, sagte Draghi laut Redemanuskript vor den Abgeordneten.
„Drei Elemente sind für das Verständnis unserer Maßnahmen von wesentlicher Bedeutung: der unbeirrbare Fokus auf Preisstabilität, die Einhaltung unseres Mandats sowie unsere vollständige Unabhängigkeit“, stellte Draghi in seiner umfassenden Erklärung vor den Bundestagsabgeordneten klar. Die jüngsten Maßnahmen der EZB dienten dazu, Preisstabilität im gesamten Euroraum zu gewährleisten. Angesichts der Sorgen vor allem in Deutschland sagte Draghi: „Wir nehmen die Pflicht, den Bürgern Europas sowie deren gewählten Vertretern gegenüber Rechenschaft abzulegen, sehr ernst.“
Der EZB-Chef mahnte die Politik im Euro-Raum, in den Anstrengungen nicht nachlassen. „Es ist Aufgabe der Regierungen, die Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen. Es ist Aufgabe der Regierungen, ihre Volkswirtschaften zu reformieren.“ Es sei auch Aufgabe der Regierungen, effektiv zusammenzuarbeiten, um eine institutionelle Architektur für das Eurogebiet zu schaffen: „Es ist wichtig, dass die europäischen Staats- und Regierungschefs den Kurs halten.“
In Deutschland hat die Ankündigung Draghis für Unruhe gesorgt, die EZB werde notfalls unbegrenzt Staatsanleihen von Krisenländern an den Börsen ankaufen. Die Notenbank greift nur ein, wenn das Land unter den Rettungsschirm ESM/EFSF schlüpft und Auflagen erfüllt.
Seit Draghis Ankündigung am 6. September sind die Zinsen, die Problemländer für neue Schuldtitel zahlen, durchaus gesunken. Um Zinsen künstlich niedrig zu halten, gibt die EZB neues Geld aus. Zwar verspricht sie, dieses Geld anderswo wieder einzusammeln. Dennoch gibt es die Sorge, mit dem Aufkauf könnte die Inflation angetrieben werden. Auch gibt es Zweifel an der Strenge der Auflagen.
Deutschland trägt 27 Prozent der EZB-Risiken. Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat sich offen gegen das neue EZB-Ankaufprogramm gestellt. Er befürchtet, dass sich die Geldpolitik von der Finanzpolitik abhängig macht. Auch das Bundesverfassungsgericht hat ein Auge auf das Programm geworfen und gewarnt, der ESM dürfe nicht zum „Vehikel“ unerlaubter Staatsfinanzierung durch die EZB werden.
Draghi versicherte, dass die Maßnahmen nicht zu Inflation führen. „Für jeden Euro, den wir zuführen, werden wir einen Euro entziehen.“ Nach Einschätzung der EZB stellten die derzeit in einigen Euro-Ländern fallenden Preise das größere Risiko für die Preisstabilität dar. In diesem Sinne stehe das Anleihenkaufprogramm nicht im Widerspruch zum EZB-Mandat: „Sie sind vielmehr unumgänglich, damit wir auch in Zukunft Preisstabilität gewährleisten können.“
Das Ziel der Gewährleistung von Preisstabilität habe die EZB stets im Blick, sagte Draghi. Er verwies darauf, dass Schuldtitel ausschließlich über die Börse von Anlegern erworben würden und nicht von Regierungen. „Diese Vorgehensweise steht voll und ganz im Einklang mit dem im Vertrag festgelegten Verbot der monetären Finanzierung.“ Die Unabhängigkeit der EZB werde nicht gefährdet.
Übermäßige Risiken für die Steuerzahler des Euroraums sieht Draghi im Zuge der Anleihekäufe nicht. „Diese würden nur dann zum Tragen kommen, wenn ein Land einen unsoliden Kurs verfolgen sollte.“Dies werde durch das Programm unter dem Rettungsfonds ESM verhindert. Die EZB interveniere nur in Ländern, „in denen sich die Wirtschaft und die öffentlichen Finanzen auf einem tragfähigen Pfad befinden.“