Der Ton zwischen der Uni Düsseldorf und ihren Kritikern im Streit um Schavans Doktorarbeit wird schärfer. Die Ministerin selbst schweigt.
Düsseldorf. Der Streit geht in die nächste Runde: In der Plagiatsaffäre um die Doktorarbeit von Ministerin Annette Schavan (CDU) hat sich der Düsseldorfer Uni-Rektor gegen Angriffe aus Politik und Wissenschaft zur Wehr gesetzt. „Weil es um eine verdiente Ministerin geht, sind die Maßstäbe plötzlich andere. Das hat nichts mit wissenschaftlicher Aufklärung zu tun“, beklagte Michael Piper in der „Süddeutschen Zeitung“ (Sonnabend). Er kritisierte vor allem namhafte Wissenschaftler, die sich in der Affäre um die Dissertation vor die Bundesbildungsministerin gestellt haben. „Ich kann nirgendwo den Versuch erkennen, sich selber textkritisch mit der Arbeit von Frau Schavan auseinanderzusetzen.“
Durch eine Indiskretion war vor einer Woche bekannt geworden, dass es ein internes Papier zu Schavans Doktorarbeit von 1980 gibt, in dem der Gutachter Stefan Rohrbacher Schavan nach Medienberichten eine Täuschungsabsicht unterstellt. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) warf der Universität wegen des Verfahrens Dilettantismus vor.
Nach Einschätzung Pipers tun führende Vertreter der Wissenschaftsorganisationen „das Gegenteil von dem, was sie in den vergangenen Jahren vereinbart haben – nicht zuletzt wegen des Falls Guttenberg.“ Mehrere Institutionen hatten im Zuge der jüngsten Affären um abgekupferte Doktorarbeiten Richtlinien verabschiedet und ein strengeres Vorgehen gegen Plagiate und anderes Fehlverhalten vereinbart. „Nun soll hinter diese Standards zurückgetreten werden“, sagte Piper. Aber: „Wir sind verpflichtet, den Vorwürfen nachzugehen. Alles andere wäre eine Bankrotterklärung der wissenschaftlichen Qualitätskontrolle.“
Kauder sagte der „Welt“ (Sonnabend), er sei „entsetzt über die Art und Weise, wie die Universität“ vorgegangen ist, als es um die Prüfung der Doktorarbeit von Ministerin Schavan ging. „Hier ist gegen alle Formen verstoßen worden, die es für ein faires Verfahren braucht. Alle an diesem Verfahren Beteiligten sind so eindeutig befangen.“ Es müsse deshalb so schnell wie möglich beendet und an anderer Stelle neu begonnen werden. Piper konterte: „Die Worte von Herrn Kauder und ähnliche Aussagen haben mit der Sache nichts zu tun, sie spiegeln nur die innere Aufregung wider.“
Was an der Uni passiert sei, sei „unterirdisch“, sagte der Baden-Württemberger CDU-Landeschef Thomas Strobl dem „Focus“. Es sei inakzeptabel, dass Journalisten vor der Betroffenen selbst über das Papier informiert worden seien. „Es wäre interessant zu untersuchen, ob in Fällen wie diesen womöglich auch Geld fließt. Es könnte sich hier möglicherweise auch um eine Beihilfe oder eine Anstiftung zu einer Straftat handeln.“
Die Universität hat sich per Strafanzeige gegen Unbekannt auf die Suche nach der undichten Stelle begeben. „Leider wissen wir noch nicht einmal, was gestohlen wurde“, sagte Uni-Rektor Piper der „SZ“. „Auch wir sind tief getroffen.“ Weiter sagte er: „Die Universität will alles daran setzen, den Schuldigen zu finden.“
Bei Schavans Besuch in ihrem Heimatbezirk Württemberg-Hohenzollern war die Affäre kein Thema. Fragen dazu beantwortete die Bundesbildungsministerin nicht – und bekam stattdessen Rückendeckung von der Basis, die ihr ein Paar rote Boxhandschuhe für den Kampf um ihren Doktortitel schenkte. „Wir stehen hinter dir“, sagte Bezirksparteichef Thomas Bareiß in Münsingen.
Über den Stand des Verfahrens in der Affäre schweigt die Uni Düsseldorf derzeit. Ohne das Einverständnis der Politikerin dürfe man keine weitere Auskunft geben, hatte Piper unter Verweis auf Schavans Anwälte gesagt.
Die Literatur- und Politikwissenschaftlerin Sandra Richter plädierte derweil im „Deutschlandradio Kultur“ dafür, Doktoranden künftig von einem externen Komitee und nicht vom Doktorvater prüfen zu lassen, um mehr Neutralität zu schaffen. Es gebe „Empfehlungen des Wissenschaftsrates, die darauf hinauslaufen“, sagte die Professorin für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Stuttgart, die die Regierung als Mitglied im Wissenschaftsrat in Hochschulfragen berät.