Der Fall Schavan erhitzt die Gemüter in der wissenschaftlichen Welt. Kritik richtet sich aber nicht nur an die Bildungsministerin.
Berlin. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) bekommt in der Diskussion über mögliche Plagiate in ihrer Doktorarbeit Unterstützung von namhaften Wissenschaftlern. Sie kritisieren scharf, dass das Universitätsgutachten zu der Dissertation öffentlich wurde, bevor Schavan es kannte. Rückendeckung bekommt die Ministerin auch von Unionspolitikern. Dagegen hält der Plagiate-Jäger Martin Heidingsfelder den Rücktritt der Ministerin für zwingend. Schavan selbst bereist derzeit Israel.
Das Gutachten eines Wissenschaftlers der Universität Düsseldorf wirft Schavan vor, in ihrer Doktorarbeit bewusst Textpassagen ohne korrekten Beleg von fremden Autoren übernommen zu haben. Am Mittwoch soll sich der Promotionsausschuss der Philosophischen Fakultät der Hochschule mit dem Fall befassen. Zudem will die Universitätsleitung der Frage nachgehen, wie das Gutachten in die Medien gelangte. Die Ministerin reiste nach Angaben ihres Sprechers am Dienstag zu einem zweitägigen Besuch nach Israel.
Ihr Doktorvater Gerhard Wehle nahm Schavan in Schutz. „Die Arbeit entsprach absolut dem wissenschaftlichen Standard“, sagte der 88-jährige Erziehungswissenschaftler der „Rheinischen Post“. Eine vorsätzliche Täuschung ist für ihn nicht vorstellbar: „Wie kann man eine Arbeit über das Gewissen schreiben und dabei täuschen?“, fragte er. Zudem dürfte eine Doktorarbeit aus dem Jahr 1980 nicht ausschließlich nach heutigen Maßstäben bewertet werden.
Der Präsident der Humboldt-Stiftung, Helmut Schwarz, attackierte die Düsseldorfer Hochschule. „Es gab schwere Fehler in dem Verfahren - die Universität sollte nun eine zweite Person bitten, die Vorwürfe sachlich zu prüfen“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“.
Der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Matthias Kleiner, sagte dem Blatt, er sei „irritiert, dass in einem strikt vertraulichen, personenbezogenen Verfahren ein Gutachten an die Öffentlichkeit gerät, noch dazu bevor es von dem zuständigen Gremium bewertet wurde“. Auch Kleiners Vorgänger Wolfgang Frühwald sagte der Zeitung, nach der Vorab-Veröffentlichung könnten die zuständigen Gremien der Universität nicht mehr frei entscheiden. „Sie stehen nun unter öffentlichem Druck“. In Schavans Dissertation gebe es zwar handwerkliche Fehler, von Plagiat könne man aber nicht sprechen.
Hassefeldt warnt vor Vorverurteilung
Die CSU-Landesgruppe im Bundestag mahnte in der Diskussion zur Mäßigung. Sie sei „gegen jede Art von Vorverurteilung“ sagte CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt in Berlin. „Der Ministerin muss Gelegenheit gegeben werden, persönlich Stellung zu beziehen.“
Auch Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) forderte, jetzt das Prüfungsverfahren abzuwarten und Schavan Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. „Ich habe volles Vertrauen in meine Kollegin Annette Schavan“, sagte er den „Ruhr Nachrichten“.
Der Plagiatsjäger Heidingsfelder hingegen sagte der dapd, jeder könne im Internet sehen, dass der Fall eindeutig sei. „Eine Bundesbildungsministerin muss in ihrer akademischen Laufbahn blütensauber sein“, betonte der Gründer des Recherchenetzwerkes „VroniPlag“. Die Union müsse Schavan zum Amtsverzicht bringen.