Rund 160 Unternehmen sind bereits für ihre innovativen Konzepte ausgezeichnet worden. Auch Möbel Kabs ist dabei
Hamburg. Eigentümer Robert Kabs und Geschäftsführer Christoph Hillermann sitzen auf Sesseln in der Wandsbeker Filiale vom Hamburger Möbelunternehmen Polsterwelt Kabs. Gestern wurde die im Besitz der Hamburger Familie Kabs befindliche Firma mit dem Familiensiegel ausgezeichnet. Diese Auszeichnung bekommen nur Unternehmen, die Maßnahmen ergreifen, damit ihre Beschäftigten den eigenen Beruf und die Kindererziehung besser unter einen Hut bekommen. Unter anderem zählt das Angebot von Teilzeitarbeit zu diesen Maßnahmen. Oder dass Kinder "in Notfällen auch mal mit in die Firma kommen können", wie Kabs erzählt. Darüber hinaus werden bei dem in Hamburg bekannten Möbelhändler Überstunden auf einem Jahresarbeitszeitkonto geparkt. Der Vorteil für die Beschäftigten: Sie können, wenn sie sich um die Familie kümmern müssen, Mehrarbeit bequem abbauen. Ein Instrument, das selbst große Konzerne eher selten anbieten. Darüber hinaus veranstaltet die Firma ein Sommerfest und eine Weihnachtsfeier. Dazu sind nicht nur, wie in anderen Firmen üblich, die Mitarbeiter, sondern auch Partner und Kinder eingeladen.
160 Firmen wurden bereits mit dem Hamburger Familiensiegel bedacht, das die Stadt mit der Handels- und Handwerkskammer seit fünf Jahren vergibt. Alle zwei Jahre werden die zertifizierten Unternehmen detailliert überprüft. Diese erneute Inspektion hat bereits dazu geführt, dass einige Firmen das Siegel wieder aberkannt bekamen, weil sich die Arbeitsbedingungen für Eltern oder Alleinerziehende etwa nach einem Chefwechsel deutlich verschlechtert hatten.
"Eine familienfreundliche Personalpolitik in den Unternehmen ist ein Wettbewerbsvorteil", sagte Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) gestern bei der Verleihung des Siegels. Denn wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen, dass Mitarbeiter in diesen Unternehmen zufriedener und motivierter sind, sich seltener krank melden und früher aus der Elternzeit zurückkehren. Zudem bleiben sie ihrem Unternehmen länger treu. Gerade in Zeiten eines akuten Fachkräftemangels kann dies oft ein immenser Wettbewerbsvorteil sein.
Die "Hamburger Allianz für Familien" berät auf Wunsch Firmen, die innovativer arbeiten wollen. Auch die Einrichtung eines Kindergartens wie etwa beim Hotel Grand Elysee oder dem Hamburger Chemikalienhändler Helm hilft Mitarbeitern, Karriere und Kinder besser zu organisieren. "Die Betreuungsmöglichkeit für Kinder spielt bei manchen Bewerbern, die sich für uns entschieden haben, eine nicht zu unterschätzende Rolle", so Helm-Personalgeschäftsführer Dieter Schütt.
Für das Familiensiegel können sich zwar nur kleine und mittelständische Firmen bewerben. Aber es gibt in Hamburg auch zahlreiche Großunternehmen, die viel für ihre Beschäftigten tun. Zum Beispiel Beiersdorf: Früher gab es beim Nivea-Hersteller "Stillstuben", damit Mitarbeiterinnen selbst während der Arbeitszeit ihren Nachwuchs versorgen konnten. Mittlerweile wird das umfangreiche Kita-Angebot von den Beschäftigten stark nachgefragt. Betriebskindergärten bieten in der Hansestadt unter anderem der Flugzeugbauer Airbus, das Medizintechnikunternehmen Eppendorf und das Medienhaus Axel Springer an, in dem das Abendblatt erscheint. Kleinere Firmen tun sich zudem häufig zusammen und organisieren gemeinsam die Betreuung für den Nachwuchs der Arbeitnehmer. Dafür gibt es externe Dienstleister wie den pmw Familienservice, der bereits drei Standorte in der Stadt betreibt.
Eine familienfreundliche Politik wird in den Hamburger Firmen immer wichtiger. Denn längst ist der Kampf um qualifizierte Mitarbeiter in vollem Gange. Allein in der Hansestadt gibt es mehr als 16 000 offene Stellen bei der Arbeitsagentur. Laut aktuellen Studien entgehen dem deutschen Mittelstand wegen fehlender Fachkräfte 30 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr.
"Familiengerechte Arbeitszeiten, eine familienbewusste Personalpolitik, Eltern-Kind-Arbeitszimmer - das alles ist heute in vielen Fällen schon selbstverständlich", sagt Thomas M. Schünemann, Vizepräses der Handelskammer. "Die mittlerweile 160 Firmen, die das Familiensiegel erhalten haben, sollen sich noch stärker untereinander austauschen. Dazu wollen wir ein Netzwerk gründen", so Schünemanns Ziel. Um das Familiensiegel noch bekannter zu machen, setze die Wirtschaft nun auch auf eine noch engere Zusammenarbeit mit den Bezirken.