Es geht um eine drastische Reduzierung des Leistungsdrucks auf die Schüler, sagt die Forscherin Dagmar Killus von der Uni Hamburg.

Berlin. Es ist ein miserables Zeugnis für eine der größten und umstrittensten Schulreformen in der Bundesrepublik: Eine große Mehrheit der Eltern schulpflichtiger Kinder in Deutschland lehnt die Verkürzung der Gymnasialzeit von neun auf acht Jahre klar ab. Hätten sie die Wahl, ob ihre Kinder das Abitur nach zwölf oder 13 Schuljahren ablegen sollen, würden 79 Prozent der Eltern eine neunjährige Gymnasialzeit vorziehen. Ebenfalls acht von zehn Eltern plädieren dafür, generell zum neunjährigen Gymnasium zurückzukehren. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen TNS Emnid-Umfrage im Auftrag des Kinderausstatters Jako-o, die gestern vorgestellt wurde.

"Es ist eine schallende Ohrfeige für die Bildungspolitik aller Parteien und der Kultusministerkonferenz", sagte Klaus-Jürgen Tillmann, Erziehungswissenschaftler der Uni Bielefeld und Koautor der Studie. Alle Bundesländer bis auf Rheinland-Pfalz haben die verkürzte Gymnasialzeit in den vergangenen zehn Jahren eingeführt. G8 wird der schnellere Weg zum Abi seither genannt, der eigentlich dafür sorgen soll, dass deutsche Schüler nicht mehr länger für ihren Abschluss brauchen als Absolventen aus anderen Teilen der Welt und somit früher fit werden für das Studium und den internationalen Arbeitsmarkt. Doch hierzulande wird G8 vor allem mit überfüllten Lehrplänen und überforderten, gestressten Schülern verbunden. "Turbo-Abi" oder "Schmalspur-Abi" wird der Abschluss häufig kritisch genannt.

Einige Länder sind deshalb bereits zurückgerudert: In Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Hessen bieten Schulen das neunjährige Abitur mittlerweile wieder an - parallel zum G8. Laut Studie lehnt es eine Mehrheit der Eltern aber ab, das Abitur nach acht und neun Jahren nebeneinander laufen zu lassen - offenbar aus Angst vor zu viel Unübersichtlichkeit und Organisationsproblemen, wie Experte Tillmann vermutet.

+++ Das Schulsystem ist durchgefallen +++

Die Erziehungswissenschaftlerin Dagmar Killus von der Uni Hamburg, die an der Studie mitgearbeitet hat, stellt jedoch klar, dass die Eltern "nicht grundsätzlich" gegen das verkürzte Gymnasium sind. 59 Prozent der Befragten geben der Studie zufolge an, G8 wäre eine gute Sache, wenn die Lehrpläne an die kürzere Lernzeit angepasst würden. "Aus Sicht der Eltern muss der Leistungsdruck beim Abitur nach acht Jahren Gymnasium dringend reduziert werden", betont Killus.

Die Studie zeigt darüber hinaus, dass eine große Mehrheit der befragten 3000 Eltern den Kindern mehr Zeit zum gemeinsamen Lernen einräumen will und deshalb eine Grundschulzeit von sechs Jahren bevorzugt. In Hamburg wurde 2010 eine entsprechende, vom damaligen schwarz-grünen Senat initiierte Reform allerdings per Volksentscheid gestoppt.

In der Umfrage plädierten nur 23 Prozent für eine Aufteilung auf weiterführende Schulen nach der vierten Klasse, 60 Prozent sprachen sich für gemeinsamen Unterricht bis zur 6. Klasse aus. 15 Prozent wollen die Aufteilung sogar bis an das Ende der 9. Klasse schieben.

Bislang dauert die Grundschulzeit nur in Berlin und Brandenburg sechs Jahre. Alle anderen Bundesländer unterrichten die jüngsten Schüler nur bis zur 4. Klasse gemeinsam.