Beim Besuch in Berlin warnte Italiens Regierungschef davor, die EZB nicht daran zu hindern, Staatsanleihen von Krisenländern zu kaufen.
Berlin/Rom. In der Eurokrise wächst der Druck auf Deutschland. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) empfing am Mittwoch Italiens Regierungschef Mario Monti zu einem Arbeitsbesuch in Berlin. Unmittelbar vor dem Treffen warnte Monti Deutschland vor einem "Eigentor“ in der Eurokrise. Dazu könne es kommen, wenn man der Europäischen Zentralbank (EZB) den Weg versperre, Staatsanleihen von Krisenländern aufzukaufen, sagte der Ministerpräsident der Zeitung "Il Sole 24 Ore“.
EZB-Präsident Mario Draghi verteidigte den Kurs der Notenbank in der Eurokrise und wies die harsche Kritik vor allem aus Deutschland zurück. "Die Europäische Zentralbank wird alles Notwendige tun, um die Preisstabilität zu gewährleisten“, schreibt Draghi in einem Gastbeitrag für die Wochenzeitung "Die Zeit“: "Sie wird unabhängig bleiben. Und sie wird immer im Rahmen ihres Mandats handeln.“
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Das unter Wachstumsschwäche, hoher Verschuldung und mangelnder Wettbewerbsfähigkeit leidende Italien steht trotz eines tiefgreifenden Reformprogramms weiterhin unter dem Druck der Finanzmärkte. Nachdem die EZB den Ankauf von Staatsanleihen in Aussicht gestellt hatte, sanken am Dienstag die Zinsen für spanische und italienische Anleihen.
Zuletzt hatten Experten vor allem aus Deutschland der EZB vorgeworfen, sie habe im Kampf gegen die Schuldenkrise "wiederholt rote Linien überschritten“. Etwa mit dem Kauf von Staatsanleihen gefährde sie die Stabilität des Euro und setze ihre Unabhängigkeit aufs Spiel.
Die EZB hatte Anfang August in Aussicht gestellt, weitere Staatsanleihen von Krisenländern zu kaufen, dies aber an feste Bedingungen geknüpft. Bevor Länder wie Italien Unterstützung erhalten können, sollen sie demnach einen Hilfsantrag beim dauerhaften Rettungsschirm ESM stellen und sich an feste Spar- und Reformauflagen halten. Monti hatte zuletzt gefordert, diese Bedingungen nicht zu streng zu fassen.
Vor seinem Treffen mit Merkel wies er auf die Gefahr hin, die von der großen Diskrepanz zwischen den Renditen italienischer und deutscher Anleihen ausgingen. Wenn man ein Eingreifen der EZB verhindere, könnte sich dies "vor allem aus deutscher Sicht als Eigentor mit paradoxen Folgen erweisen“, sagte Monti in dem Zeitungsinterview. Hohe Risikoprämien von Krisenländern blieben "ein ernsthaftes Problem“.
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In der "Zeit“ betonte Draghi, dass die EZB auf die Störung an den Finanzmärkten reagieren müsse: "Wenn an den Kapitalmärkten Angst und Irrationalität vorherrschen, wenn sich der gemeinsame Finanzmarkt wieder entlang der Ländergrenzen aufspaltet, dann erreicht das geldpolitische Signal der EZB nicht alle Bürger der Euro-Zone gleichermaßen.“ Deshalb müsse die Notenbank eingreifen, um Preisstabilität zu gewährleisten: "Dies kann hin und wieder außergewöhnliche Maßnahmen erfordern.“
Vor seinem Berlin-Besuch hatte Monti am Dienstagabend kurzfristig in Brüssel EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso getroffen. Am 6. September kommt die EZB zu ihrer monatlichen Ratssitzung zusammen, auf der über den Ankauf von Staatsanleihen beraten werden dürfte.
Finanzexperte Clemens Fuest bescheinigte Italien erhebliche Reform- und Sparfortschritte. "Unter den Krisenstaaten im Süden der Euro-Zone haben Monti und Italien die besten Chancen, es zu schaffen“, sagte Fuest der Deutschen Presse-Agentur. Eine Frage sei jedoch, wie nachhaltig der Reformkurs sei – auch unter einer künftigen Regierung. (dpa)