Die künftigen Tarifrunden könnten mit Forderungen nach Lohnsenkungen beginnen. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hält bis zu 40 Prozent für berechtigt.
Berlin. Bei künftigen Tarifrunden könnten Forderungen nach Lohnsenkungen im Mittelpunkt stehen. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt halt bis zu 40 Prozent für berechtigt.
Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hat wegen der Wirtschaftskrise Lohnsenkungen ins Gespräch gebracht. Tarifliche Kostenentlastungen seien bei Umsatzrückgängen von 30 bis 40 Prozent aus betriebswirtschaftlicher Sicht für viele Unternehmen oder für ganze Branchen „durchaus berechtigt“, sagte Hundt in Berlin. Ob ein Arbeitgeberverband darüber nachdenke, könne er aber nicht sagen.
Hundt bescheinigte den Gewerkschaften für die jüngsten Abschlüsse „tarifpolitische Vernunft“. Nötig seien auch weiterhin „angemessene Tarifvereinbarungen“. „Wenn alte Formeln der Gewerkschaften angewendet werden, dass die Produktivitätssteigerung und die Inflationsrate die Grundlage für Tariferhöhungen sein sollen, dann müssen wir im nächsten Jahr in wichtigen Branchen eine deutliche Lohnsenkung vereinbaren“, sagte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). „Ich denke aber nicht, dass das die Grundlage für die Verhandlungen sein kann.“
Die Arbeitgeber werden daher in Tarifgesprächen auf Kostenentlastung an anderer Stelle dringen und Leistungen aus Manteltarifverträgen überprüfen wollen, ist BDA-Hauptgeschäftsführer Reinhard Göhner überzeugt. Das sei in der Rezession „tarifpolitisches Standardwerkzeug“. Hundt bekräftigte seine Forderung nach einem „Belastungsmoratorium“ für die Wirtschaft: Wolle man die Erholung der Konjunktur nicht erschweren, dürfe Arbeit nicht teurer gemacht und dürften Sozialabgaben nicht angehoben werden.
Der BDA-Chef äußerte die Hoffnung, dass der konjunkturelle Tiefpunkt überschritten ist. Allerdings sei die Lage von Branchen wie der Metall- und Elektroindustrie „nach wie vor extrem angespannt“ und auf einem Niveau, das „besorgniserregend“ unter dem der Vorjahre liege. Trotz aller Prognose-Unsicherheit gehe er nicht davon aus, dass es in diesem Jahr vier Millionen Arbeitslosen geben werde. Dauere die Krise aber länger, „kann ein Beschäftigungsabbau nicht ausgeschlossen werden“.
Auf den von der IG Metall geforderten Verzicht auf Entlassungen in der Krise wollte sich Hundt nicht einlassen. Die von Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) ins Gespräch gebrachte Verlängerung der öffentlich geförderten Altersteilzeit über 2009 hinaus lehnte er ab. Kritisch äußerte sich der BDA-Präsident über Bestrebungen im Wahlkampf zur „Verwässerung“ der Rente mit 67 und der Sozialreformen.
Im Rückblick auf die Tarifabschlüsse des ersten Halbjahres 2009 zeigte sich Hundt zufrieden. Die Lohnsteigerungen seien moderat und differenziert ausgefallen. „Die Kostenbelastung im laufenden Jahr wird in zahlreichen Tarifverträgen durch vorgeschaltete Nullmonate abgemildert“, sagte Hundt. Häufig seien auch Einmalzahlungen vorgesehen, die sich nicht auf die Einkommenstabellen auswirken.
Bei den Tarifverträgen mit einer Laufzeit von 24 Monaten liegt die Belastung nach BDA-Berechnung im Jahresdurchschnitt bei zwei Prozent. Die Gewerkschaften hätten sich in der Krise „angemessen und tarifpolitisch vernünftig verhalten“, sagte Hundt. Er betrachte dies nicht als Entgegenkommen, sondern als Ausdruck gemeinsamer Bemühungen um wirtschaftlichen Erfolg. Dies habe sich letztlich auch positiv am Arbeitsmarkt niedergeschlagen.