Gesundheitsministerin Ulla Schmidt beteuert nach ihrem Rückzug aus dem SPD-Schattenkabinett: “Ich bin sparsam mit Steuergeldern.“
Berlin. Es war zehn vor sechs, als Ulla Schmidt gestern Abend vor die Kameras trat. Da hatte das stundenlange Warten endlich ein Ende. Einsern lächelnd gab die angezählte Bundesgesundheitsministerin ihre Erklärung zur sogenannten Dienstwagen-Affäre ab. Kernbotschaft: Sie ziehe sich aus dem Schattenkabinett Frank-Walter Steinmeiers zurück, weil es ihr wichtig sei, die Kampagne des SPD-Kanzlerkandidaten "nicht zu beeinträchtigen". Schmidt wörtlich: "Ich will, dass die SPD stark ist, dass Frank-Walter Steinmeier Kanzler wird." Danach ging Schmidt jedoch ziemlich schnell dazu über, sich mit einer anderen vermeintlichen Kampagne zu beschäftigen - und zwar der, der ihre Mitarbeiter schutzlos ausgeliefert gewesen seien.
Die seien in den zurückliegenden Tagen mit "üblen Verdächtigungen und Ehrabschneidung" konfrontiert worden, die "nicht akzeptabel" seien: "Politiker wie ich stehen selbstverständlich in der Öffentlichkeit und können sich auch öffentlich zur Wehr setzen, meine Mitarbeiter nicht." Das zielte auf Berichte, die die mögliche Fahrlässigkeit von Schmidts Fahrer thematisiert hatten, und auf die vielen Fotografen, die das Team der Ministerin am Flughafen einem Blitzlichtgewitter unterzogen hatten.
Man konnte Ulla Schmidt, die zu der improvisierten Pressekonferenz im Atrium ihres Ministeriums in einer scharlachroten Jacke erschien, allerdings ansehen, dass sie innerlich vor Zorn kochte. Zorn darüber, diese Erklärung überhaupt abgeben zu müssen. Zorn darüber, von Steinmeier ausgemustert worden zu sein. Geradezu greifbar war Schmidts Empörung über die Zweifel an ihrer Rechtschaffenheit. "Ich habe für alle nachvollziehbar dargelegt, dass der sparsame Umgang mit Steuergeldern eine Selbstverständlichkeit ist", erklärte die 60-jährige Politikerin, die an Tag fünf der Affäre ihren Spanienurlaub unterbrochen hatte, um in Berlin jene Schadensbegrenzung zu betreiben, die man im Willy-Brandt-Haus schon viel früher erwartet hatte.
Gestern Nachmittag soll der durch Schmidts Agieren arg in die Bedrouille gebrachte Kanzlerkandidat Steinmeier der Ministerin klargemacht haben, dass für sie zurzeit kein Platz in seinem Schattenkabinett ist - wenn überhaupt. Unangenehm für Schmidt: Steinmeier kam ihrem Auftritt am Rande der SPD-Klausurtagung in Potsdam mit der Erklärung zuvor, dass Schmidt bis zur vollständigen Aufklärung aller Vorwürfe nicht zu seinem Wahlkampfteam gehöre. Eine schallende Ohrfeige für die gestandene Politikerin, die gestern noch nicht entscheiden wollte, ob sie ihren Spanienurlaub fortsetzen wird. Schadensbegrenzung à la Steinmeier - nicht unbedingt auf die feine englische Art, schließlich ist Ulla Schmidt die erfahrenste SPD-Ministerin in der Großen Koalition.
Aber die Affäre kam für Steinmeier tatsächlich zur Unzeit. Seit Wochen hatte die Partei auf die Tage von Potsdam hingearbeitet, wo vor idyllischer Kulisse der Aufbruch in die heiße Phase des Wahlkampfs öffentlich zelebriert werden sollte. Eine dringend notwendige Aktion, sacken SPD und Kandidat in den Umfragen doch immer noch weiter ab: Zwei Monate vor der Bundestagswahl wünschen sich nur noch 17 Prozent der Deutschen Frank-Walter Steinmeier als Bundeskanzler. Und nur noch 23 Prozent würden bei der SPD ihr Kreuz machen, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre. Zum Vergleich: Die Union käme auf 38 Prozent (Jahresrekord), 58 Prozent der Deutschen würden für Angela Merkel votieren, wenn sie die Kanzlerin direkt wählen könnten.
Auch deshalb umgibt sich Steinmeier ab heute mit einem Schattenkabinett, das Kompetenz und Weiblichkeit demonstrieren soll. Engagiert hat er zu diesem Zweck alle Bundesminister ("vorerst" außer Schmidt) sowie die stellvertretende Parteivorsitzende Andrea Nahles, die für die Bildungspolitik zuständig sein soll. Außerdem an Bord: Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Ulrike Merten. Und die erst 35 Jahre alte Sozialministerin Mecklenburg-Vorpommerns, Manuela Schwesig, die Familienministerin Ursula von der Leyen Konkurrenz machen soll.
In Steinmeiers Schattenkabinett soll es auch noch Seiteneinsteiger für Bereiche wie Kultur, Sport und Medien geben. Namen wurden gestern zunächst nicht bekannt. Zu Berichten, wonach auch die Witwe des ehemaligen Bundespräsidenten Johannes Rau, Christina Rau, dabei sein werde, hieß es aus Parteikreisen allerdings: "Das ist Quatsch."