Der Diebstahl des Dienstwagens von Ministerin Ulla Schmidt (SPD) in Spanien wird möglicherweise den Bundestag beschäftigen. Schmidt müsse vor dem Haushaltsausschuss erklären, warum sie mit ihrem Dienstwagen im Ausland unterwegs sei, forderte der Ausschussvorsitzende Otto Fricke (FDP).
Alicante/Berlin. Im Grunde genommen ist die Sache ganz einfach: Seit dem 1. Juli 1993 regeln die sogenannten „Richtlinien für die Nutzung von Dienstkraftfahrzeugen in der Bundesverwaltung (DKfzR)“, in welchen Fällen Politiker für ihre Arbeit mit dem Dienstwagen reisen dürfen. Dass die Sache in der Praxis dann doch etwas komplizierter sein kann, musste jetzt Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) erfahren.
Nachdem spanische Langfinger in der vergangenen Woche die Mercedes-S-Klasse der Bundesministerin an ihrem Urlaubsort Alicante geklaut hatten, sah sich die Sozialdemokratin am Wochenende bohrenden Fragen aus der Heimat ausgesetzt. Was machte der Dienstwagen samt Fahrer überhaupt im fernen Spanien? Für wie viele dienstliche Termine brauchte sie das Gefährt? Gab es keine günstigere Alternative wie einen Leihwagen? Wer kommt für die Kosten der rund 5000 Kilometer langen Reise Berlin-Alicante- Berlin auf?
Stundenlang suchte die Pressestelle von Schmidts Ministerium am Sonntag nach einer Sprachregelung, vertröstete anfragende Journalisten immer wieder, um am Ende eine dünne siebenzeilige Mitteilung zu veröffentlichen. „Der Bundesministerin für Gesundheit steht wie allen Mitgliedern des Bundeskabinetts ein personengebundener Dienstwagen für dienstliche und private Nutzung mit Fahrer ständig zur Verfügung“, hieß es da. „Auch im diesjährigen Spanienurlaub hat sie den Dienstwagen mehrfach dienstlich und privat genutzt. Bei privaten Fahrten wird dasselbstverständlich gemäß den Bestimmungen auch privat abgerechnet.“ Ob dies ausreichen wird, die Kritiker zu beruhigen, bleibt abzuwarten. Jedenfalls reagierten Verbände und die Opposition mit harscher Kritik und Unverständnis.
Der Präsident der Freien Ärzteschaft, Martin Grauduszus, dessen Verhältnis zu Schmidt wegen ihrer Gesundheitspolitik ohnehin stark getrübt ist, sprach prompt von einer „Dienstwagenaffäre“ und verlangte deren „vollständige Aufklärung“. Einen so scharfen Vorwurf wollte der Bund der Steuerzahler der Ministerin zumindest am Sonntag noch nicht machen. „Bislang handelt es sich lediglich um ein Fehlverhalten bei der Organisation“, sagte Geschäftsführer Reiner Holznagel der dpa. Sollte sich aber herausstellen, dass solche Fahrten gängige Praxis seien, müsse man genauer darüber nachdenken. So wie bei der Flugbereitschaft seien die Politiker auch bei Fahrten mit Dienstwagen dazu verpflichtet, immer die wirtschaftlichste Variante zu wählen.
Unabhängig von der juristischen Bewertung erwuchs nach der ersten Diebstahlsmeldung am Samstag eine Diskussion, die an längst vergessene Affären und Skandälchen erinnert: So geriet 2001 der damalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) wegen der Nutzung der Flugbereitschaft für einen Besuch bei seiner Freundin Kristina Gräfin Pilati auf Mallorca in die Kritik. Zwar musste er erst ein knappes Jahr später sein Amt aufgeben, die Affäre beschädigte ihn jedoch nachhaltig. Im selben Jahr musste Finanzminister Hans Eichel (SPD) im Haushaltsausschuss zu zahlreichen Flügen von Berlin ins heimische Frankfurt Stellung beziehen. Ohne Folgen blieb 1995 eine „Flugaffäre“ für die damalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU), die mit der Flugbereitschaft auffällig oft in die Schweiz geflogen war, wo ihre Tochter lebte.
Auch wenn das Problem von Ulla Schmidt nicht über den Wolken sondern auf spanischen Straßen liegt, ist das zentrale Problem gleich gelagert: Was ist dienstlich, was ist privat? All diese Fragen sollen, wenn es nach der Opposition geht, im Haushaltsausschuss des Bundestags Klärung finden. „Ich möchte wissen, für welche Termine Frau Schmidt Dienstwagen und Fahrer in Alicante benötigt hat und warum es nicht möglich war, dass ihr die Botschaft Transportmöglichkeiten zur Verfügung gestellt hat“, sagte der Ausschuss-Vorsitzende Otto Fricke (FDP). Eigentlich hatte sich Schmidt auf drei erholsame Wochen in Spanien vor Beginn des Wahlkampfstresses gefreut. Hier wolle sie lesen, die Seele baumeln und spazieren gehen, hatte eine Sprecherin vor Urlaubsbeginn auf Anfrage mitgeteilt. Ein dreister Dieb, der Gefallen an ihrem Dienstwagen fand, klaute Schmidt zugleich auch die ersehnte Ruhe.