Der Internet-Fachmann wehrt sich gegen die Vorwürfe. Die Piratenpartei, zu der er übertrat, steht weiter hinter ihm.
Karlsruhe. Die Staatsanwaltschaft in Karlsruhe will Anklage wegen Kinderpornografie gegen Jörg Tauss erheben. Nachdem die Ermittlungen gegen den früheren SPD-Politiker abgeschlossen sind, geht Oberstaatsanwalt Rüdiger Rehring auch weiterhin davon aus, "dass sich Herr Tauss des strafbaren Besitzes von kinderpornografischen Dateien und Bildmaterial schuldig gemacht hat". Tauss sagte daraufhin zu bild.de: "Das ist miserabler Stil und hat mit Rechtsstaat nichts mehr zu tun." Derzeit sehen seine Anwälte die Akten ein.
"Die Entscheidung über eine Anklage ist aber von der Zustimmung des Bundestages abhängig", betonte Rehring. Das Parlament müsste dafür erneut Tauss' Immunität aufheben. Dem Bundestag muss dazu erst die Anklageschrift übermittelt werden. Dies sei bis jetzt noch nicht geschehen, so der Vorsitzende des Immunitätsausschusses, Thomas Strobl (CDU). Die Entscheidung im Bundestag könnte laut Rehring in einer der beiden Sondersitzungen zum Vertrag von Lissabon am 26. August oder am 8. September fallen.
Anfang März war die Immunität von Tauss schon einmal aufgehoben worden. Damals waren Kinderporno-Bilder in den Räumen des damaligen medienpolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion gefunden worden. Die Staatsanwaltschaft beschlagnahmte Handyfotos und DVDs. Der 56-Jährige war nach diesem Fund von seinen SPD-Ämtern zurückgetreten. Im Juni trat er dann bei den Sozialdemokraten aus und wechselte zur Piratenpartei. Nach wie vor beteuert der Abgeordnete des Wahlkreises Karlsruhe-Land seine Unschuld und erklärt, er habe einen Kinderporno-Ring sprengen wollen. Die Ermittler behaupten dagegen, Tauss habe "keinen dienstlichen Auftrag" gehabt und könne sich deshalb nicht darauf berufen. Der Politiker wies dies zurück: "Ich bin ja kein Beamter, sondern frei in meiner Arbeit."
Auch die Piratenpartei steht nach wie vor hinter Tauss. "Jetzt erst recht", sagte der "Medienpirat" des Bundesvorstands der Partei, Aaron Koenig, dem Abendblatt. "Tauss ist ein guter Politiker, die SPD muss traurig sein, dass sie ihn verloren hat." Die Anklage sei laut Koenig "völlig absurd", es sei klar, "dass Tauss seit Jahren gegen Kinderpornografie kämpft", ob er dabei formelle Vorschriften überschritten hätte, könne Koenig nicht beurteilen. Die Piratenpartei ist unter anderem gegen die Sperrung von Internetseiten, die der Bundestag beschlossen hat, um Kinderpornografie im Netz zu bekämpfen. Laut Koenig seien die Piraten auch gegen Kinderpornografie, die Sperrung von Homepages sei allerdings kein rechtsstaatliches und demokratisches Mittel dafür. Die Partei geht davon aus, dass ein "vernünftiger Richter" die Klage abweisen werde. Sie habe "etwas von einer Schmutzkampagne", so Koenig.
Auch der Anwalt von Tauss, Jan Mönikes, warf der Anklage "soziale Exekution" vor. Außerdem gebe es in der Sache selbst nach wie vor "nichts substanziell Neues". Über den zuständigen Oberstaatsanwalt Rehring sagte der Jurist: "Jörg Tauss war in Rehrings Augen offensichtlich schon von der ersten Stunde der Ermittlungen an schuldig." Kritik an der Karlsruher Staatsanwaltschaft kam auch von Oberstaatsanwältin Christine Hügel. Der Hinweis auf die Anklage sei "ein bisschen voreilig und nicht sehr geschickt" gewesen, sagte die Behördenchefin, dass der Verteidiger des unter Kinderporno-Verdacht stehenden Politikers noch Akteneinsicht habe, außerdem sei die Immunität noch nicht aufgehoben. Jedoch verteidigte sie grundsätzlich die Informationspolitik im Fall Tauss. Nachdem die Vorwürfe Anfang März bekannt wurden, sei nichts anderes als eine Bestätigung übrig geblieben.
Zum Ende der Legislaturperiode scheidet Tauss aus dem Bundestag aus. Damit endet seine Immunität ohnehin. Dann könnte auch ohne Bundestagsbeschluss Anklage gegen das neue Mitglied der Piratenpartei erhoben werden.