Demonstranten skandieren im Iran Hassparolen. Staatsanwaltschaft bezeichnet den Täter als einen “fanatischen Ausländerfeind“.
Hamburg. Weiße Rosen vor dem Dresdner Rathaus, ein Gottesdienst in der Frauenkirche - 1500 Menschen und zahlreiche Politiker haben am Wochenende der Ägypterin Marwa al-Sherbini gedacht, die im Landgericht der Stadt von einem Russlanddeutschen erstochen worden war. Die Tat hatte in der arabischen Welt anti-deutsche Proteste ausgelöst.
SPD-Chef Franz Müntefering mahnte politische Konsequenzen an. Rechtsextreme und Rassisten dürften keine Chance mehr haben, sich in Parteien zu organisieren, sagte er bei der Trauerfeier in Dresden, an der auch die sächsischen Minister Eva Maria Stange (Wissenschaft) und Geert Mackenroth (Justiz) teilnahmen. Der ägyptische Botschafter in Deutschland, Ramzy Ezzeldin Ramzy bezeichnete den Mord als "verbrecherische Einzeltat". Marwa sei "Opfer des blinden Hasses und Fanatismus" geworden. Der Generalsekretär der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, nannte den Mord einen schlimmen Höhepunkt der Islamfeindlichkeit, die es seit Jahren in Deutschland gebe. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, beklagte einen zunehmenden Fremdenhass.
Vor dem Dresdner Rathaus verharrten Deutsche und Ausländer mit ernsten Mienen zu einer Schweigeminute. Einige Frauen weinten, andere hielten Plakate hoch mit Parolen wie "Rassismus tötet" und "Wir sind gegen Terror, stoppt die Hetze gegen den Islam". Viele hatten eine weiße Rose als Zeichen der Mahnung in der Hand. Mehrere arabische TV-Sender, darunter al-Dschasira, berichteten von der Veranstaltung. Der Mord an der Ägypterin in einem Gerichtssaal zeige "den täglich wachsenden Hass gegenüber Immigranten und religiösen Minderheiten in Deutschland", erklärte ein Sprecher des iranischen Außenministeriums. In Teheran protestierten 150 iranische Studenten gegen den Umgang mit Muslimen in Deutschland und warfen mit Eiern auf das Gebäude der deutschen Botschaft. Dabei skandierten sie "Tod für Deutschland und für das rassistische Europa". Die Demonstranten malten auch ein Hakenkreuz auf das Eingangstor der Botschaft.
Die erzkonservative Zeitung "Kejhan" forderte in einem Leitartikel die Ausweisung aller deutschen Botschafter aus islamischen Staaten. Auch im ägyptischen Alexandria, der Heimat von Marwa al-Sherbini, kam es zu anti-deutschen Protestkundgebungen.
"Das ist eine Überreaktion der islamischen Welt", sagte der türkischstämmige Reiseunternehmer Vural Öger, bis vor Kurzem SPD-Europaabgeordneter, dem Hamburger Abendblatt. "Es handelt sich um die Tat eines Einzelnen." Es gebe zwar vereinzelt Ressentiments gegen Ausländer, vor allem im Osten - "aber eine allgemeine Fremdenfeindlichkeit in Deutschland kann ich nicht bestätigen".
Die 31-jährige Marwa war am 1. Juli bei einer Verhandlung im Landgericht von einem 28-jährigen Russlanddeutschen vor den Augen ihres dreijährigen Kindes mit 18 Messerstichen getötet worden. Ihr Mann, der ihr zu Hilfe eilen wollte, wurde schwer verletzt. Die schwangere Frau, die als gläubige Muslimin ein Kopftuch trägt, hatte den Täter ursprünglich angezeigt, weil er sie auf einem Kinderspielplatz als "Terroristin" und "Schlampe" beschimpft hatte. Daraufhin war er zu einer Geldstrafe von 780 Euro verurteilt worden. Die Dresdner Staatsanwaltschaft bezeichnet den 28-Jährigen, der erst seit sechs Jahren in Deutschland lebt, als "fanatischen Ausländerfeind".
Der Zentralrat der Muslime in Deutschland appellierte an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), auf die Muslime zuzugehen. Die Kanzlerin, die am Rande des G8-Gipfels in Italien Ägyptens Präsidenten Husni Mubarak ihre Anteilnahme ausgesprochen hatte, solle sich "direkt an die mehr als vier Millionen Muslime hierzulande wenden und den brutalen rassistischen Mord aus islamfeindlichen Motiven verurteilen", sagte Generalsekretär Aiman Mazyek dem "Tagesspiegel am Sonntag". Das wäre ein "wichtiges und gutes Signal".