Die Kanzlerin stand im Mittelpunkt eines Festakts in Berlin. Ihre Partei inszeniert sich als Meisterin der Krisenbewältigung.
Berlin. Wirtschaftskrise hin, Wirtschaftskrise her - die CDU hat sich entschlossen, im Wahlkampf trotzdem nicht auf Pathos und emotionale Botschaften zu verzichten. Gestern lud die Partei zu einer Feierstunde ins Deutsche Theater nach Berlin, die fast als Staatsakt durchgegangen wäre, hätten da nicht ausschließlich Unionsvertreter im Publikum gesessen. 60 Jahre Bundesrepublik und 20 Jahre Mauerfall bildeten Rahmen und Anlass zu einer ebenso geschichts- wie gefühlsseligen Veranstaltung, bei der die Partei an entscheidende Wegmarken der Geschichte der Bundesrepublik und die Überwindung der deutschen Teilung erinnerte - und sich und ihren politischen Leitfiguren dabei gehörig auf die Schulter klopfte. So manchen Akteur von damals hatte Generalsekretär Ronald Pofalla zu diesem Zweck ins Publikum oder auf das Podium gebeten - darunter Kurt Biedenkopf, Lothar de Maizière, Rudolf Seiters und Bernhard Vogel.
Im Mittelpunkt aber stand - wie sollte es anders sein - die Kanzlerin, die in einem Einspielfilm von den Werbestrategen in eine Traditionslinie zu ihren Vorgängern Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Kurt Georg Kiesinger und Helmut Kohl gestellt wurde. Merkel musste selbst schmunzeln, als jene Bilder eingespielt wurden, die sie 1990 als stellvertretende Regierungssprecherin der gewählten DDR-Volkskammerregierung zeigten. Sie gab sich in ihrer knapp einstündigen Rede ansonsten aber staatstragend. Mit dem Steuersenkungsstreit hielt sich die Parteivorsitzende nicht auf. Sie sprach lieber vom "Glück" für Deutschland, dass in den entscheidenden Jahren 1949 und 1989 eine Partei regiert habe, die seit jeher auf einem "festen Wertefundament" stehe. Die (Wahl-)Botschaft dahinter blieb zwar unausgesprochen, war aber auch so offensichtlich: Wer es über so viele Jahrzehnte vermocht hat, Deutschland in schwierigen Zeiten erfolgreich zu regieren, der schafft das auch jetzt - auf der Basis des christlichen Menschenverständnisses, dem Leitbild der CDU, dem Dach für die drei oft beschriebenen Wurzeln der Partei, der konservativen, der liberalen und auch der christlichen.
Immer wieder schlug Merkel den Bogen zur Wirtschaftskrise: Zur Freiheit gehöre zwingend die Bejahung von Verantwortung. Eigennutz dürfe nicht mehr den Gemeinsinn beschädigen. Und eine sich aufteilende Gesellschaft dürfe kein Leitbild für die Zukunft sein, mahnte die Kanzlerin. Beispiel: Auch von den Managern erwartet sie Vorschläge für Lehren aus der Finanz- und Wirtschaftskrise. Dafür könne nicht nur die Politik zuständig sein. Der Reichtum eines Landes dürfe sich nicht nur am Wachstum orientieren, sondern auch an denen, die es besonders schwer haben. Mehrfach lobte sie den Mittelstand, der derzeit ganz anderes im Kopf habe als Bonuszahlungen; mahnte sie die Manager, dass "Verdienst von Dienen" komme. Gewürdigt wurde - nicht nur von ihr - Altkanzler Helmut Kohl, der erst am kommenden Freitag nach langer Krankheit wieder öffentlich auftreten wird.
Dass es durchaus schon vor Merkel Frauen in der CDU gab, die an wesentlicher Stelle mitgestalteten, daran erinnerte die 89-jährige Susanne Hermanns. Sie hatte die Partei von 1946 an mit aufgebaut, saß noch unter Adenauer mit im Bundesvorstand - und gab nun launige Anekdoten zum Besten, etwa vom jungen Helmut Kohl, entlockt vom Moderator Johannes B. Kerner. Warum sie damals eingetreten sei? "Man fühlte sich einfach verantwortlich, etwas für Deutschland zu tun." Da nickte die Kanzlerin in der ersten Reihe - denn das ist offenbar die Diktion, die der CDU auch für den Wahlkampf vorschwebt. Gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise.