Der italienische Journalist, der 1989 mit seiner Frage zur Reisefreiheit der DDR-Bürger scheinbar eine frühzeitige Maueröffnung provoziert hatte, behauptet: “Die Frage war bestellt.“ Die ehemalige SED-Größe Schabowski kontert: “Das ist absurd.“
Berlin/Hamburg. Im Jubiläumsjahr des deutschen Mauerfalls gibt es neuen Wirbel um eine alte Frage: Der italienische Journalist Riccardo Ehrman hatte sie am 9. November 1989 auf der legendären Pressekonferenz an den SED-Spitzenfunktionär Günter Schabowski gestellt. Ehrman fragte, wann die neuen Reiseregeln für DDR-Bürger gelten sollen.
Schabowski öffnete mit seiner Antwort die Mauer. Jetzt gibt es Spekulationen, dass die Frage auf der Pressekonferenz "bestellt" war. "Absurd", sagt Schabowski. "Der italienische Journalist hat seine Frage nach dem neuen Reisegesetz spontan gestellt", so Schabowski.
Er reagierte auf ein Interview mit dem früheren Korrespondenten der italienischen Nachrichtenagentur Ansa, das im MDR-Fernsehen ausgestrahlt wurde. Dort sagte der Korrespondent nach Senderangaben, die Frage nach dem Reisegesetz sei kein Zufall gewesen. "Ich bekam vorher einen mysteriösen Anruf aus dem ,Unterseeboot’, dem Konferenzzimmer des ADN-Chefs. Ein mir bekannter Spitzenfunktionär der SED forderte mich auf, unbedingt nach dem Reisegesetz zu fragen."
Der ADN war die staatliche Nachrichtenagentur der DDR. Ihr Chef Günther Pötschke war Mitglied des SED-Zentralkomitees. Fast beiläufig hatte Schabowski als Mitglied des SED-Politbüros, des höchsten Machtzirkels, in Ost-Berlin die Reisefreiheit für DDR-Bürger verkündet. So mancher Beobachter hatte zunächst einen Versprecher vermutet. Er habe sehr wohl gewusst, was auf seinem Zettel stand, hatte Schabowski später gesagt.