Verfassungsgericht erklärte Wahlrecht zum Bundestag für verfassungswidrig. Mittwoch entscheiden Bundesrichter erneut über die Frage.
Karlsruhe. Muss das Wahlrecht zur Bundestagswahl schon wieder geändert werden? Das Bundesverfassungsgericht entscheidet morgen, ob die 2011 verabschiedete Wahlrechtsreform gegen das Grundgesetz verstößt. Union und FDP hatten das neue Wahlrecht gegen den Willen der Opposition verabschiedet. SPD, Grüne und mehr als 3000 Bürger klagten daraufhin in Karlsruhe. Zentraler Streitpunkt sind die Überhangmandate, von denen in der Regel die großen Parteien profitieren.
+++Voßkuhle erzürnt: Parteien hätten sich auf Wahlrecht einigen müssen+++
Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei mehr Sitze im Parlament über Direktmandate in den Wahlkreisen gewinnt, als es ihrem Anteil an Zweitstimmen entspricht. Bei der Bundestagswahl 2009 waren auf diese Weise 24 zusätzliche Mandate entstanden, die alle der Union zugutekamen. Die Kläger kritisieren, das neue Wahlrecht begünstige weiterhin das Entstehen von Überhangmandaten. Dies sei nicht mit den Grundsätzen der Wahlrechtsgleichheit und der Chancengleichheit der Parteien vereinbar.
In der mündlichen Verhandlung Anfang Juni hatten die Richter deutliche Zweifel gezeigt, ob eine große Zahl von Überhangmandaten bei Bundestagswahlen zulässig sei. Ein verfassungsgemäßes Wahlrecht sei das unverzichtbare Fundament einer funktionierenden Demokratie, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle seinerzeit. Eine klare Tendenz der Richter war jedoch nicht zu erkennen. Sollte der Zweite Senat das Wahlrecht für verfassungswidrig erklären, bliebe nur wenig Zeit für eine Neuregelung. Spätester Wahltermin für den nächsten Bundestag wäre nach Angaben des Gerichts der 27. Oktober 2013.
+++Verfassungsrichter rügen neues Wahlrecht+++
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, zeigte sich vor der Entscheidung zuversichtlich, dass das Gericht das Wahlgesetz für verfassungswidrig erklären wird. „Überhangmandate verleihen einigen Wählern ein doppeltes Stimmengewicht“, so Oppermann am Dienstag. „Das steht im Widerspruch zu dem zentralen Versprechen unserer Demokratie: das gleiche Stimmrecht für alle.“
Bereits 2008 hatten die Karlsruher Richter das bisherige Wahlrecht für teilweise verfassungswidrig erklärt. Sie gaben dem Bundestag eine Frist von drei Jahren, um eine Neuregelung auf den Weg zu bringen. Die Parteien schafften es jedoch nicht, sich innerhalb der Frist auf eine Neuregelung zu einigen. Lange Zeit war eine Neuregelung auch innerhalb der schwarz-gelben Koalition umstritten, bevor sie sich schließlich auf einen Kompromiss verständigte und diesen durchsetzte