Aus den Verfassungsschutz-Akten soll hervorgehen, wie Behörden mit Informanten aus dem NSU-Umfeld kooperiert haben.
Berlin/Wiesbaden. Das Bundesamt für Verfasungsschutz (BfV) will dem Untersuchungsausschuss des Bundestags zum Rechtsterrorismus Zugang zu geheimen Akten zur umstrittenen Operation „Rennsteig“ erteilen. Die Behörde habe dem Gremium angeboten, 25 Akten zu dem Vorgang am Mittwochnachmittag in der BfV-Außenstelle in Berlin einzusehen, sagte der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy am Dienstag in Berlin. Edathy fordert zudem verstärkte Aufklärung über die Pannen der Sicherheitsbehörden und erhebt schwere Vorwürfe gegen den Militärischen Abschirmdienst (MAD) und Hessens Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU).
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Aus den "Rennsteig"-Dokumenten soll hervorgehen, wie die Sicherheitsbehörden im Rahmen der Operation mit Informanten aus dem Umfeld der rechtsterroristischen Zelle Nationalsozialistischer Untergund (NSU) zusammengearbeitet haben. Ein Teil der Akten war von einem Verfassungsschutz-Mitarbeiter nach Auffliegen der Terrorgruppe im November vergangenen Jahres vernichtet worden. Der NSU soll mehr als ein Jahrzehnt unbehelligt von den Sicherheitsbehörden im Untergrund gelebt und zehn Menschen ermordet haben.
Edathy forderte, dass nun auch der MAD seine „Rennsteig“-Akten offen legen müsse. Er beklagte sich am Dienstag im ARD-„Morgenmagazin“ darüber, dass der MAD „sich weigert, dem Untersuchungsausschuss die Akten zukommen zu lassen. Das wird noch viele Diskussionen geben – so geht's jedenfalls nicht. Ich habe schon den Eindruck, wir werden da ein bisschen behindert bei der Aufklärung.“ Zudem kündigte Edathy an, dass der BfV-Mitarbeiter, der die Akten schreddern ließ, womöglich noch an diesem Donnerstag vor dem Ausschuss aussagen solle. Am Donnerstag wird auch der Präsident des Verfassungsschutzes, Heinz Fromm, von dem Gremium vernommen. Erst vor wenigen Tagen war bekanntgeworden, dass Verfassungsschützer Akten zur rechten Szene geschreddert hatten, nachdem die Zwickauer Neonazi-Zelle aufgeflogen war.
Nach dem angekündigten Rückzug von Fromm schließt Edathy zudem weitere Rücktritte nicht aus. Jetzt müssten die Sicherheitsbehörden verstärkt aufklären, sagte er. „Je mehr man unter den Teppich kehren möchte, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass man irgendwann über den Teppich stolpert“, sagte Edathy. „Der Verfassungsschutz ist in einer Vertrauenskrise.“
Grünen-Obmann Wolfgang Wieland sagte, untersucht werden müsse, inwieweit sich das Behördenversagen auf Landesvertreter oder Staatssekretäre und Minister erstrecke. „Wir haben ein Versagen auf breiter Linie.“ Unionsobmann Clemens Binninger (CDU) verlangte Aufklärung, ob die V-Leute des Verfassungsschutzes bei den Thüringer Neonazis Mitläufer oder Schlüsselfiguren der Terrorgruppe NSU waren. Linke-Obfrau Petra Pau nannte es einen Skandal, dass der MAD seine Akten nicht herausgebe. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CDU) müsse dies bei Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) erwirken.
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Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele will sogar V-Männer vor dem NSU-Untersuchungsausschuss hören. „Nach 10, 12, 14 Jahren kann es nicht sein, dass V-Leute oder V-Leute-Führer nicht mehr aussagen dürfen“, sagte Ströbele am Rande der Ausschusssitzung am Dienstag. „Es kann nicht sein, dass wir das auf unseren Ermittlungsbeauftragten abschieben“, kritisierte Ströbele. Dieser vom Ausschuss eingesetzte Beauftragte, ein ehemaliger Richter, soll laut Binninger Einblick in die Klarnamendatei der Verfassungsschützer nehmen.
Edathy erhebt zudem schwere Vorwürfe gegen Hessens Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU). Im Zusammenhang mit einem 2006 in Hessen verübten Mord warf Edathy Bouffier im "Morgenmagazin" vor, sich zu Unrecht auf die Seite des Verfassungsschutzes gestellt zu haben. Die Polizei habe den Nachrichtendienst um Informationen gebeten, nachdem einer seiner Mitarbeiter als Zeuge des Mordfalls ermittelt worden war. „Das ist abgelehnt worden vom Verfassungsschutz mit der Begründung, das sei nur ein Mordfall. Das sei nicht wichtig genug, dass der Verfassungsschutz der Polizei helfen muss.“ Am Ende sei das vom damaligen hessischen Innenminister Bouffier entschieden worden, „und der hat es so gesehen, wie der Verfassungsschutz. Und das ist, ehrlich gesagt, die Verhinderung von Strafverfolgung im Amt“.
Mit Material von dpa/dapd