Bei der Suche nach den Mördern von Geschäftsleuten ausländischer Herkunft griff die Polizei auch zu ungewöhnlichen Ermittlungsmethoden, wie nun im Untersuchungsausschuss des Bundestages ans Licht kommt.
Berlin/Nürnberg. Von den Ermittlungen zur Mordserie des Zwickauer Neonazi-Trios werden immer neue überraschende Details bekannt. So richtete die bayerische Polizei für sechs Monate einen eigenen Döner-Imbiss in Nürnberg ein, weil sie nach den mysteriösen Morden an Kleinunternehmern ausländischer Herkunft offenbar fest von einem Hintergrund im Bereich der organisierten Kriminalität ausging. Mit dem Lokal habe man Hinweise auf organisierte Kriminalität im Lieferantenmilieu sammeln wollen, berichtete der frühere Nürnberger Oberstaatsanwalt Walter Kimmel am Donnerstag im Untersuchungsausschuss des Bundestags.
Der Imbiss sei zwar nicht direkt von der Polizei, aber von einer „Vertrauensperson“ betrieben worden. Viele Parlamentarier im Untersuchungsausschuss sehen dadurch jedoch den Verdacht erhärtet, dass einem möglicherweise rechtsextremen Motiv für die Mordserie nicht ausreichend nachgegangen wurde.
Der Ausschuss-Vorsitzende Sebastian Edathy (SPD) beklagte, Spuren im Bereich der organisierten Kriminalität seien die Ermittler mit einem ungleich höheren Aufwand nachgegangen als Hinweisen auf die Neonazi-Szene. Auch der Unions-Obmann Clemens Binninger (CDU) sprach anschließend von einer „falschen Schwerpunktsetzung“ bei den Ermittlungen. Kimmel betonte hingegen, aus damaliger Sicht habe man „alles Menschenmögliche“ getan, um die Taten aufzuklären. Der Terrorzelle namens „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) werden die Morde an einer Polizistin sowie an neun Männern türkischer und griechischer Herkunft zur Last gelegt. Mehrere Opfer betrieben Obst- und Gemüseläden sowie Döner-Imbisse. Fünf Morde wurden in Bayern begangen.
Der Bundestags-Untersuchungsausschuss geht unter anderem der Frage nach, ob die Möglichkeit eines rechtsextremen Hintergrunds vernachlässigt wurde. Kimmel wies derartige Vorwürfe zurück. Ein solcher Verdacht habe sich damals nicht erhärtet, weil man bei Neonazis mit einschlägigen Bekennerschreiben gerechnet hätte. „Dieses Sich-Dazu-Bekennen hat uns gefehlt.“ Auch wandte er sich gegen die Vermutung, dass man den Fall aus Eitelkeit nicht an das Bundeskriminalamt (BKA) oder den Generalbundesanwalt abgegeben habe. Kimmel betonte, er hätte das Verfahren damals gerne abgegeben – die dafür notwendigen rechtlichen Voraussetzungen seien jedoch nicht erfüllt gewesen.
(dpa)