Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble will trotz der rund 40 Milliarden Euro zusätzlichen Steuereinnahmen am Sparkurs festhalten.
Berlin. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble will trotz der vorhergesagten Steuermehreinnahmen von knapp 40 Milliarden Euro bis 2015 weiter am Sparplan der Regierung festhalten und warnt vor größeren Begehrlichkeiten. Der CDU-Politiker mahnte, nicht vom Sparkurs abzuweichen. Insbesondere die Forderungen der CSU und der FDP, den Solidaritätszuschlag abzubauen, wies Schäubles Staatssekretär Steffen Kampeter (CDU) entschieden zurück. Bis zum Jahr 2015 sagt die jüngste Steuerschätzung Bund, Ländern und Gemeinden zusätzliche Einnahmen in Höhe von 39,5 Milliarden Euro voraus.
Gegenüber der Prognose vom Mai fließen laut den am Freitag veröffentlichten Zahlen allein im laufenden Jahr 9,3 Milliarden zusätzlich in die Kassen des Bundes. Daher soll es möglich sein, weniger als 25 Milliarden Euro neue Schulden zu machen – nur etwa halb so viel wie im Haushalt 2011 ursprünglich vorgesehen.
Die Einnahmen der Länder fallen den Berechnungen zufolge 2011 um 6,3 Milliarden Euro höher aus. Die Gemeinden können mit 2,6 Milliarden Euro mehr rechnen als noch im Mai vorhergesagt.
Schäuble mahnte am Rande des G-20-Gipfels in Cannes: "Wir dürfen bei aller Freude über die Mehreinnahmen nicht vergessen, dass unsere Gesamtverschuldung immer noch weit von den in der EU vorgesehenen Werten entfernt ist.“ Deutschland müsse zudem die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse einhalten.
Kampeter betonte, das Wirtschaftswachstum des Jahres 2011 sei "exzeptionell“. Die Zahlen erschienen für dieses Jahr beeindruckend, schmölzen auf lange Sicht aber "wie Schnee in der Sahara“. Daher sei bei der Frage der Steuererleichterung lediglich die Umsetzung des Konzepts von Schäuble und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) möglich, sagte Kampeter. Die Minister hatten vorgeschlagen, die kalte Progression in der Einkommenssteuer zu bekämpfen.
Der Staatssekretär erteilte Forderungen aus FDP und CSU, stattdessen den Solidaritätszuschlag abzubauen, eine klare Absage. Im Koalitionsvertrag sei vereinbart worden, die kalte Progression zu bekämpfen und dadurch kleine und mittlere Einkommen zu entlasten. Dazu sei der Vorschlag von Rösler und Schäuble der beste Weg.
Rösler schwieg sich in einer Stellungnahme zur Steuerschätzung über den konkreten Entlastungsweg aus. Der FDP-Vorsitzende forderte lediglich, "die unteren und mittleren Einkommen zu entlasten und damit einen konjunkturpolitischen Impuls zu setzen“.
Unions-Haushälter Norbert Barthle verlangte wie Kampeter, die kalte Progression abzubauen, durch die kleinere Lohnerhöhungen von einem höheren Steuertarif aufgefressen werden. Barthle forderte die Länder auf, das Vorhaben nicht im Bundesrat zu blockieren. Am Sonntag soll ein Koalitionsgipfel die künftige Steuerpolitik festlegen.
Die SPD im Bundestag warnte grundsätzlich vor Steuersenkungen. Es sei "nicht zu verantworten“, 2013 Entlastungen zu beschließen, die auf Dauer gelten und die staatlichen Haushalte Jahr für Jahr schmälern, erklärte Fraktionsvize Joachim Poß.
Die Steuerexpertin der Linksfraktion, Barbara Höll, warnte, die Ergebnisse der Steuerschätzung seien "von zahlreichen Unwägbarkeiten begleitet“. Steuersenkungen für kleine und mittlere Einkommen dürfe es daher nur geben, wenn sie gegenfinanziert würden.
DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki bezeichnete jegliche Steuersenkungspläne als absurd. Der Deutsche Städtetag warnte insbesondere davor, die Einnahmen der Kommunen zu schmälern. "Schon allein wegen der in den vergangenen Jahren aufgelaufenen Defizite“ in deren Haushalten gebe es dafür keinen Spielraum. Der Arbeitskreis Steuerschätzungen hatte die neue Prognose drei Tage lang in Halle (Saale) erarbeitet. Das Gremium gibt es seit 1955.
Von Christina Neuhaus und Torsten Holtz