Die Weltbevölkerung wächst bis Ende Oktober auf sieben Milliarden Menschen an. Deutschland schrumpft bis 2060 um bis zu 17 Millionen Einwohner.
Hamburg. Während die Weltbevölkerung anwächst und auf den siebenmilliardsten Erdenbürger zusteuert, rechnen neueste Prognosen mit einem dramatischen deutschen Bevölkerungsverlust. Demnach verliert Deutschland bis zum Jahr 2060 bis zu 17 Millionen Einwohner, also ein Fünftel der Bevölkerung. Die neuen Länder werden besonders stark betroffen sein. Dort leben in 50 Jahren voraussichtlich ein Drittel weniger Menschen als heute. Das geht aus dem Demografiebericht hervor, den Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) am Mittwoch im Bundeskabinett vorlegte. Auf der Grundlage des Berichts will die Bundesregierung im Frühjahr eine Strategie zum Umgang mit dem demografischen Wandel vorlegen.
Auch der UN-Bevölkerungsfonds (UNFPA) legte am Mittwoch mit dem Weltbevölkerungsbericht seine neuesten Erhebungen vor. Demnach soll am 31. Oktober der siebenmilliardste Mensch auf die Welt kommen. Die Sechs-Milliarden-Grenze war im Jahr 1999 erreicht worden. Schätzungen zufolge könnte die Weltbevölkerung bis zum Ende des 21. Jahrhunderts auf mehr als zehn Milliarden steigen.
Deutschland: Größter Verlust für Sachsen-Anhalt
Dem deutschen Demografiebericht zufolge muss Sachsen-Anhalt mit dem größten Bevölkerungsschwund rechnen. Hier sinkt die Einwohnerzahl voraussichtlich um 42 Prozent. Thüringen muss mit einem Rückgang von 41 Prozent rechnen und Mecklenburg-Vorpommern mit einem Minus von 36 Prozent. Die geringsten Bevölkerungsveränderungen sind in Hamburg (minus 6 Prozent), Bremen (minus 14 Prozent) und Bayern (minus 15 Prozent) zu erwarten. Für ganz Deutschland gehen die Statistiker von einem Bevölkerungsrückgang von bis zu 21 Prozent bis 2060 aus.
Derzeit leben in Deutschland fast 82 Millionen Menschen. Neben einem Rückgang der Einwohnerzahlen verschiebt sich auch die Altersstruktur. Da immer mehr Menschen immer älter werden, nimmt die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter ab. Heute leben in Deutschland 49,8 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter von 20 bis 64 Jahren. Die Autoren des Demografieberichts gehen davon aus, dass es im Jahr 2030 rund 6,3 Millionen Menschen weniger sein werden als heute. 2060 wird jeder Dritte mindestens 65 Jahre alt sein.
Einer Studie der Bertelsmann Stiftung zufolge wird die Zahl der über 80-jährigen Einwohner bis zum Jahr 2030 bundesweit um fast 60 Prozent zunehmen. In Berlin und Brandenburg werde sich die Zahl sogar fast verdoppeln, berichtete die Stiftung am Mittwoch in Gütersloh. In Mecklenburg-Vorpommern nehme die Anzahl der Hochbetagten um 80 Prozent zu, in Schleswig-Holstein um 77 Prozent. Einen Anstieg um weniger als 50 Prozent bis 2030 erwarten die Experten in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hamburg, Bremen und dem Saarland. Die Stiftung hat ihre bundesweite Bevölkerungsprognose für rund 3200 Kommunen gerechnet. Danach wird Deutschland bis 2030 die Grenze von 80 Millionen Einwohnern unterschreiten.
Die Bevölkerungszahl sinkt, weil in Deutschland mehr Menschen sterben als geboren werden. Auch die Zuzüge nach Deutschland können diese Entwicklung schon lange nicht mehr aufhalten. Laut dem Bericht lässt sich die Entwicklung mit ansteigenden Geburtenzahlen oder einer stärkerer Zuwanderung jüngerer Menschen nur noch abmildern, aber nicht mehr stoppen. Der demografische Wandel hat Auswirkungen auf fast alle Lebensbereiche. So waren im Jahr 2010 rund 2,42 Millionen Menschen auf Pflege angewiesen. Die Zahl könnte dem Bericht zufolge bis 2030 auf rund 3,37 Millionen Menschen steigen.
Minister Friedrich sagte laut Mitteilung in Berlin, der Bericht liefere erstmals eine umfassende Beschreibung der demografischen Lage in Deutschland und der zu erwartenden Entwicklung. „Die Gestaltung des demografischen Wandels ist eine der großen Zukunftsaufgaben.“ Darin liege aber auch eine Chance, das Land zu modernisieren.
UN: Bevölkerungswachstum erschwert Armutsbekämpfung
Der bevorstehende Anstieg der Weltbevölkerung auf sieben Milliarden Menschen ist aus Sicht von UN- und Nichtregierungsorganisation dringender Anlass zum Handeln. Notwendig seien mehr Investitionen in die Zukunft junger Menschen sowie die Gleichstellung von Frauen, sagte der Direktor der Technischen Abteilung des UN-Bevölkerungsfonds (UNFPA), Werner Haug, am Mittwoch in Berlin. Die Stiftung Weltbevölkerung forderte mehr Ausgaben für die Familienplanung.
Nach Angaben Haugs gibt es trotz der wachsenden Zahl von Menschen auf der Erde deutliche Erfolge: So lebten die Menschen heute im Durchschnitt länger und gesünder als je zuvor. Zugleich sei aber die soziale Ungleichheit fast überall größer geworden. In Ländern mit hohem Bevölkerungswachstum und niedrigem Einkommen sei es besonders schwer, ein funktionierendes Bildungs- und Gesundheitswesen aufzubauen, ergänzte Haug.
+++ Sieben Milliarden - wie viel Mensch verträgt die Erde? +++
Laut Weltbevölkerungsbericht ist die durchschnittliche Lebenserwartung von 48 Jahren Anfang der 50er Jahre auf 68 im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts gestiegen. Die Säuglingssterblichkeit sank im selben Zeitraum von 133 Todesfällen pro 1.000 Geburten auf 46 pro 1.000 Geburten. Knapp die Hälfte der Weltbevölkerung ist unter 24 Jahre alt.
Die Geschäftsführerin der Stiftung Weltbevölkerung, Renate Bähr, sagte, bisher habe sich kein Land ohne Investitionen in die Familienplanung aus der Armut befreien können. Dennoch seien die weltweiten Ausgaben in diesem Bereich in den vergangenen zehn Jahren deutlich gesunken. Die internationale Gemeinschaft müsse pro Jahr rund fünf Milliarden Euro bereitstellen, um den Bedarf an Familienplanung zu decken. Dies sei etwa doppelt so viel wie derzeit. Bähr kritisierte auch, dass die Bundesregierung ihre Mittel für den UN-Bevölkerungsfonds im kommenden Jahr um 1,5 Millionen auf 14,2 Millionen kürzen wolle.
Das weitere Bevölkerungswachstum könne alle bisherigen Erfolge in der Entwicklung infrage stellen, warnte der Staatssekretär im Bundesentwicklungsministerium, Hans-Jürgen Beerfeltz. Ohne eine Verlangsamung könnten die Millenniumsziele zur Halbierung von Hunger und Armut nicht erreicht werden. Das Ministerium verdoppele seine Investitionen in den Bereich Familienplanung und Gesundheit 2001 auf 85 Millionen Euro, betonte Beerfeltz.
Die Milliardenmarken der Weltbevölkerung (Quelle: Deutsche Stiftung Weltbevölkerung)
1804: Eine Milliarde Menschen
1927: Zwei Milliarden Menschen
1959: Drei Milliarden Menschen
1974: Vier Milliarden Menschen
1987: Fünf Milliarden Menschen
1999: Sechs Milliarden Menschen
2011: Sieben Milliarden Menschen
Mit Material von dpa, epd und dapd