Laut Bericht treten Rechts- als auch Linksextreme immer gewaltbereiter auftreten. Es droht auch eine Gefahr durch islamistische Terroristen.
Berlin. Verfassungsschützer beobachten einen Wandel der rechtsextremistischen Szene. Die Mitglieder werden unscheinbarer, aber gewaltbereiter. Das geht aus dem Verfassungsschutzbericht 2010 hervor, den Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich am Freitag in Berlin vorstellte. Die Straftaten aus dem rechten Spektrum gingen zwar zurück, bündeln sich aber vor allem in den neuen Bundesländern. Sorge bereitet Friedrich ebenso der Linksextremismus. Auch hier schrumpfte im vergangenen Jahr zwar die Zahl der Straftaten. In den ersten Monaten des laufenden Jahres sei jedoch ein neues Rekordhoch erreicht, beklagte der CSU-Politiker. Genaue Zahlen nannte er nicht.
Die politisch motivierte Kriminalität aus dem rechtsextremistischen Spektrum ging 2010 gegenüber dem Vorjahr um rund 15 Prozent zurück. Gezählt wurden 15.905 Delikte, 762 davon waren Gewalttaten. Die Szene schrumpft, rückläufig ist auch die Zahl der NPD-Mitglieder. Allerdings sei die Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten gestiegen, sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm. Diese Entwicklung mache seinem Haus „viel Kummer“. Insbesondere die wachsende Gruppe der „autonomen Nationalisten“ bereitet den Sicherheitsbehörden Sorgen.
Nach den Beobachtungen der Verfassungsschützer sind Mitglieder der Szene immer schwerer zu erkennen. Der „klassische“ Stil mit Glatze und Springerstiefeln gelte als veraltet, weil es ein eindeutiges Erkennungsmerkmal für den politischen Gegner biete und Stigmatisierung nach sich ziehe. Rechte griffen deshalb eher zu angesagten Jugendklamotten.
Im Osten ist der Rechtsextremismus noch immer weiter verbreitet als im Westen. In der Länderrangliste der häufigsten rechtsextremistischen Straftaten pro Einwohner führen die neuen Bundesländer. Die Deutsche Polizeigewerkschaft registriere dies mit großer Sorge. Vor allem im Osten müssten neue Strategien her, „um dem rechtsextremen Treiben Einhalt zu gebieten“, sagte Gewerkschaftschef Rainer Wendt.
Die Zahl der politisch motivierten Straftaten aus dem linken Spektrum ging im vergangenen Jahr zurück und schrumpfte um rund 20 Prozent auf 3.747 Fälle, davon 944 Gewalttaten. Die Szene wuchs jedoch auf 32.200 Personen an. Auch die Zahl gewaltbereiter Linksextremisten ging nach oben.
In den ersten Monaten des laufenden Jahres sei die Zahl der Straftaten aus dem linksextremistischen Spektrum allerdings auf ein neues Rekordniveau geklettert, sagte Friedrich. Genaue Daten könne er noch nicht vorlegen. Klar sei jedoch, dass der Rückgang im vergangenen Jahr keine erfreuliche Trendwende, sondern eine Ausnahme sei. Die linksextremistische Szene zeige in jüngster Zeit eine „deutlich erhöhte Aggressivität und Risikobereitschaft“ und attackiere vermehrt Mitglieder des rechtsextremistischen Spektrums. Es gebe die „Gefahr einer Gewaltspirale“.
Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Freitagausgabe), die Entwicklung sei höchst beunruhigend. Nach seiner Einschätzung stehen linke Gewalttäter inzwischen „an der Schwelle zu einem neuen Linksterrorismus“. Friedrich räumte ein, wenn der Trend anhalte, könnte Schünemann mit dieser Einordnung Recht haben.
Ein Problem ist laut Verfassungsschutz weiterhin auch die Bedrohung durch islamistische Terroristen. Nach dem Tod von Al-Kaida-Führer Osama bin Laden gebe es keinen Grund zur Entwarnung, sagte Friedrich. Die Zahl der Mitglieder und Anhänger der 29 in Deutschland aktiven islamistischen Organisationen habe im vergangenen Jahr noch einmal deutlich zugenommen. Sie sei 2010 um 1.100 auf 37.370 Mitglieder gestiegen. Gestützt auf das Internet, missbrauchten vor allem Salafisten die Begeisterungsfähigkeit von Jugendlichen für ihr Ziel, die Bundesrepublik im Sinne der Scharia, des religiösen Gesetzes des Islam, umzugestalten. Der Minister sagte, für Deutschland wie Europa gelte seit ein bis zwei Jahren eine allgemeine Bedrohung. Die Lage habe sich nicht entspannt. Ein konkrete Gefährdung liege aber nicht vor. (dapd)