Schwarz-Gelb beendet einen langwierigen Konflikt. Bankschließfächer bleiben tabu, Flugdaten-Abfrage wird erweitert
Hamburg/Berlin. Kurz vor der Sommerpause hat die schwarz-gelbe Regierungskoalition einen wichtigen Streitpunkt ausgeräumt: Union und FDP einigten sich auf einen Kompromiss bei der Verlängerung der sogenannten Anti-Terror-Gesetze. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) verkündeten gestern bei einem spontan anberaumten Termin in Berlin, dass man am Vorabend eine gemeinsame Linie bei dem seit Monaten umstrittenen Thema gefunden habe.
Eigentlich hätten die Gesetze, die nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 ins Leben gerufen wurden, zum Jahreswechsel auslaufen sollen. Die Union allerdings verlangte wegen anhaltender Terrorgefahr eine Verschärfung und Verlängerung des Pakets. Die FDP hat sich mit Teilen des Gesetzes mit einem Verweis auf Datenschutz und Bürgerrechte jedoch besonders schwergetan und eine pauschale Verlängerung vehement abgelehnt. Bei ihrem gestrigen Auftritt zeigten sich Leutheusser-Schnarrenberger und Friedrich jedoch demonstrativ geschlossen. Spekulationen, die Einwilligung der FDP sei als Gegenleistung für die gewünschten Steuersenkungen zustande gekommen, wiesen beide energisch zurück. "Es gab nie die Absicht, hier Dinge miteinander zu verbinden, die nichts miteinander zu tun haben", betonte die Justizministerin. Es sei allein um die Sache gegangen.
Jetzt soll also ein Großteil der Gesetze beibehalten werden - allerdings werden sie weiterhin befristet, dieses Mal auf vier Jahre. Die Geheimdienste erhalten sogar einen umfassenderen Zugriff auf Bank- und Flugdaten als zuvor. Die Abfrage von Postverkehr und Postfächern, der Kleine Lauschangriff mit verwanzten Beamten und die Erhöhung der Höchstspeicherfrist personenbezogener Ermittlungsdaten auf 15 Jahre fallen dagegen weg. Auch Einblick in Bankschließfächer wird der Staat nicht erhalten. "Ich habe darauf verzichtet, Verschärfungen weiter zu verfolgen", sagte Friedrich. Bei dem Kompromiss handelt es sich bislang allerdings nur um Eckpunkte. Die konkrete Ausgestaltung wird in den nächsten Wochen erfolgen.
Ein weiteres strittiges Thema, die von Leutheusser-Schnarrenberger geforderte Auflösung des Militärgeheimdienstes MAD wurde nicht geklärt und ist nun Teil der Beratungen einer neu geschaffenen Regierungskommission. Diese soll nun beurteilen, inwieweit sich Gesetze und Sicherheitsbehörden seither verändert haben. Vor allem die FDP hatte eine Evaluierung des Anti-Terror-Gesetzes gefordert - allerdings vor der anstehenden Verlängerung des Pakets und nicht danach.
Bei Sicherheitsexperten stieß die Einigung auf ein überwiegend positives Echo. Der Leiter des Hamburger Landesamts für Verfassungsschutz, Manfred Murck, sagte dem Abendblatt, zwar seien die Ermittlungskompetenzen seiner eigenen Behörde in einem Landesgesetz festgelegt und hingen daher nur mittelbar von den Bundesgesetzen und den aktuellen Anti-Terror-Beschlüssen ab. "Dennoch ist die Einigung innerhalb der Bundesregierung auch aus unserer Sicht eher hilfreich", sagte Murck. "Für den Verfassungsschutz sind Befugnisse zur Durchführung von Finanzermittlungen oder zur Erhebung von Telekommunikations-Verbindungsdaten wichtige Instrumente im Kampf gegen den Terrorismus." Für Ermittler wie Murck geht die Einigung von Friedrich und Leutheusser-Schnarrenberger allerdings noch nicht weit genug. Bei den Verbindungsdaten komme es darauf an, dass sie über einige Zeit gespeichert würden, berichtet Murck. Damit könne ein Tatverdächtiger, der sich mittlerweile beobachtet fühle, seine früheren Kontakte nicht mehr verschleiern. "Hier liegt der besondere Wert einer Vorratsdatenspeicherung."
Die umstrittene Speicherung haben beide Minister aus ihrem Kompromiss-Paket allerdings herausgenommen. Das kritisiert auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) scharf. Dass die Koalition sich bei der Vorratsdatenspeicherung offenbar noch uneinig sei, bedeute, dass die Koalitionspartner in ihrer Sicht auf die Innen- und Rechtspolitik des Landes Lichtjahre voneinander entfernt seien, sagte GdP-Vorsitzender Bernhard Witthaut. Dennoch zeigte er sich mit dem Übereinkommen grundsätzlich zufrieden: "Wir sind froh, dass die Polizei auf der Grundlage ihrer bisherigen rechtlichen Möglichkeiten weiterarbeiten kann." Die angekündigte Evaluation könnten die Sicherheitsbehörden gelassen abwarten, so Witthaut. Ihnen sei mehrfach bescheinigt worden, "höchstverantwortlich" mit ihren Ermittlungsmitteln umgegangen zu sein.