Ein Stromausfall hatte den Bundestag in Berlin für zwei Stunden komplett lahmgelegt: Verwaiste Flure, tote Telefone und ratlose Mitarbeiter.
Berlin. Ein Kabelschaden hat am Dienstag die Arbeit des Bundestags erheblich beeinträchtigt. Das Parlament blieb über Stunden von der Welt abgeschnitten: Fernseher, Faxgeräte, E-Mail-Verkehr waren tot. Als Ursache nannte der Berliner Energiekonzern Vattenfall eine Stromversorgung auf Sparflamme, nachdem eine Baufirma mehrere Stromkabel beschädigt hatte. Betroffen war kurzzeitig auch das Bundeskanzleramt. Erst am Abend floss wieder ausreichend Strom. Ursprünglich sollte der Schaden laut Vattenfall gegen 16 Uhr behoben sein. Am Nachmittag teilte das Unternehmen mit, der Normalbetrieb solle gegen 18.00 Uhr wiederhergestellt sein. Doch erst um 20.25 Uhr wurde die Stromversorgung im üblichen Umfang wieder aufgenommen.
Eine Baufirma hatte am Morgen bei Tiefbauarbeiten an der Leipziger Straße nahe dem Potsdamer Platz in Mitte drei Stromkabel gekappt. Die Zehn-Kilovolt-Kabel in drei Meter Tiefe dienen der Stromversorgung des Bundestages und des Bundeskanzleramtes. Vattenfall habe beide Institutionen umgehend über eine andere Leitung mit Strom versorgt, sagte Sprecherin von Vattenfall. Das Kanzleramt verfüge über eine vollständige Ersatzstromversorgung. In einem solchen Fall gebe es eine sogenannte Umschaltautomatik. Sie sorge dafür, dass die Stromversorgung über ein anderes Kabel sichergestellt werde. Dieses System habe "einwandfrei funktioniert“.
Allerdings könne es nicht den Normalbetrieb aufrechterhalten, deshalb habe es die Einschränkungen gegeben. Sichergestellt werde unter anderem die Funktionsweise der Türen oder die Alarmtechnik, weil dieses Ersatzsystem für die Brandbekämpfung oder die Rettung von Personen vorgesehen sei. Die Vorgaben dafür, welche Bereiche unter den Ausnahmebedingungen funktionierten, habe der Deutsche Bundestag als Kunde von Vattenfall selbst festgelegt, betonte sie.
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Im Kanzleramt gingen die Lichter aus
Tote Telefone, verwaiste Büros, Fußball auf dem Flur und Abwasser in der Tiefgarage: Am Dienstag herrscht Ausnahmezustand im Berliner Regierungsviertel. Ein Stromausfall legt den Bundestag über Stunden komplett lahm, zeitweise gehen auch im Kanzleramt die Lichter aus. Der Grund: Eine Tiefbaufirma hat beim Baggern in der Nähe des Potsdamer Platzes drei Kabel gekappt.
Es ist halb zehn morgens, als den Bundestagsgebäuden der Saft ausgeht. Die Bildschirme werden schwarz, kein Licht, keine Kaffeemaschine, kein Fax, kein Kopierer – nichts geht mehr. Kurzzeitig bleiben die Aufzüge stehen, ein paar Minuten später springt die Notversorgung an und die Lifte fahren wieder – wenn auch nur vorübergehend. Licht, Rechner und Teekocher bleiben aus. Die Mitarbeiter sind ratlos.
Die Notversorgung lässt nur ein paar Lichter in den Fluren brennen und hält die Telefone am Laufen – auch das nur vorübergehend. Die Lautsprecher funktionieren ebenfalls noch.
„Toilettenbenutzung verboten“
Trotzdem dauert es zwei Stunden, bis die erste Nachricht über die Flure scheppert. „Achtung, Achtung, hier spricht die Polizei des Bundestages“, tönt es aus den Lautsprechern, „wegen des anhaltenden Stromausfalls ist die Benutzung der Toiletten bis auf Weiteres zu unterlassen.“ Die Mitarbeiter sind nun noch ratloser. Wer es nicht unterlassen kann, flüchtet sich zum Toilettenasyl in nahegelegene Cafés.
Über Stunden tut sich nichts. Gegen Mittag schicken die Fraktionen ihre Mitarbeiter schließlich nach Hause. Am Nachmittag herrscht gespenstische Stille im Jakob-Kaiser-Haus, wo die Fraktionen ihre Büros haben. Nur ein paar einsame Gestalten schleichen noch durch die Gänge. Ein paar nutzen die Leere für Fußball auf dem Flur. Aus einem „elektrischen Betriebsraum“ im ersten Stock piept es verdächtig.
„Pressearbeit im Blindflug“
Michael Schroeren sitzt vor einem schwarzen Bildschirm. Der Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag rätselt, wie er seine Pressemitteilungen verbreiten soll. Seine Notizen schreibt er mit der Hand, die Agenturberichte kann er nicht lesen. Inzwischen sind auch die Festnetztelefone tot. „Das Handy geht, aber nur solange der Akku hält“, sagt Schroeren. Pressearbeit „im Blindflug“ sei das - „und da kriegen Sie ganz schnell Entzugserscheinungen“.
Lustig sei das Ganze aber eigentlich nicht, schiebt er nach. „Die Aufgabe der Opposition ist es, die Regierung zu kontrollieren“, sagt Schroeren, „und dafür braucht man eben auch Strom.“ Es sei völlig unverständlich, warum der Bundestag so unzureichend gegen Stromausfälle geschützt sei und keine vernünftige Notversorgung habe. „Das geht so nicht“, schimpft der Grünen-Sprecher. „Wir sind überhaupt nicht arbeitsfähig.“
Schmodderwasser in der Tiefgarage
Einen Stockwerk tiefer läuft ein Bundestags-Techniker durch die leeren Flure. Er hat ganz andere Sorgen. Nicht alle haben sich an das Toilettenverbot gehalten „und nun läuft uns das Wasser überall hin“, klagt er. Schließlich arbeiten die Pumpen nicht. In der Tiefgarage des Jakob-Kaiser-Hauses steht nun das Schmodderwasser und die Techniker saugen die Suppe ab, so gut das mit Notstromversorgung eben geht.
Die Cafeterien in den Bundestagsgebäuden sind schon seit Stunden geschlossen. „Die Brötchen haben sie morgens noch verkauft und dann zugemacht“, sagt der Techniker. Kochen ohne Strom ist schwierig.
Auch die Reichstagskuppel ist dicht. Kein Aufzug, keine Automatiktüren, keine Toiletten – da müssen die Touristen draußen bleiben. Drei Schüler aus Augsburg stehen enttäuscht vor dem Reichstag in der Sonne. „Wir fahren heute leider wieder nach Hause“, sagt Alexander, „das war die letzte Chance.“ Ein bisschen komisch sei es aber schon, dass ausgerechnet das Parlamentsgebäude in Deutschland vom Strom abgeschnitten sei, meint er.
Das Kanzleramt ein paar Meter weiter hat es besser. Dort geht der Strom am Vormittag nur vorübergehend aus. Ein Sprecher beschwichtigt, in der Regierungszentrale habe es nur eine „kurze Unterbrechung“ der Stromversorgung gegeben.
Am späten Nachmittag schlendern die letzten Fraktionsmitarbeiter aus dem Jakob-Kaiser-Haus. „Heulen tun wir nicht“, sagt eine von ihnen beim Rausgehen. Die geschenkten Stunden kommen der jungen Frau ganz recht. Ihr Plan B für den restlichen Nachmittag: „Die Sonne genießen.“
Mit Material von dapd