Union und FDP einigen sich mit Finanzminister Schäuble auf höhere Arbeitnehmerpauschale. Weitere Konflikte sind jedoch programmiert.
Berlin. Es war eine ganze Menge von guten Nachrichten, die Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) gestern zu verkünden hatte: Der Aufschwung des Jahres 2010 wird sich auch 2011 fortsetzen. Das Bruttoinlandsprodukt wird in diesem Jahr um 2,3 Prozent wachsen, die Arbeitslosenquote um 0,7 Prozentpunkte auf sieben Prozent sinken. Ein "gar nicht so kleines Jobwunder", nannte Brüderle diese Entwicklung. Auch wenn der Minister betonte, dass man den Aufschwung "den vielen fleißigen Menschen im Land zu verdanken" habe, habe auch die Bundesregierung ihren Anteil daran.
Und gleich noch einen Erfolg gab es zu vermelden. Der ewig schwelende Streit um Steuervereinfachungen ist vorerst beigelegt. Union und FDP haben sich darauf geeinigt, die Anhebung des Pauschalbetrages für Arbeitnehmer bereits 2011 gelten zu lassen. Statt 920 Euro beträgt er jetzt 1000 Euro. Deutlich wichtiger als diese Entlastung dürfte für die Regierungsparteien jedoch die Einigung mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sein. Noch am Montag hatte er sich gegen die eigentlich bereits vereinbarte Maßnahme gesperrt. Das hatte Unmut bei den Koalitionären hervorgerufen. Vor allem die FDP, die Steuersenkungen zu ihrem Lieblingsthema erkoren hat, fühlt sich seit Monaten düpiert. Der strikte Sparkurs, über den Schäuble mit eiserner Hand wacht, hat den Liberalen viele Vorhaben verhagelt.
Auch wenn der Finanzminister jetzt einen Mini-Schritt auf die FDP zugegangen ist, gärt das Thema weiter. Der Vorsitzende des Finanzausschusses im Bundestag, Volker Wissing, besteht darauf, in der laufenden Legislaturperiode noch mehr Steuererleichterungen durchzusetzen. "Auch Herr Schäuble hat dem Koalitionsvertrag zugestimmt, und ich gehe davon aus, dass er ihn auch gelesen hat", sagte Wissing dem Abendblatt. "Wir wollen niedrige und mittlere Einkommen entlasten, die kalte Progression abbauen, den sogenannten Mittelstandbauch abflachen und eine Steuerstrukturreform einleiten." Wissing betonte: "Alle im Koalitionsvertrag enthaltenen Vorhaben sind der FDP wichtig." Der Koalitionsvertrag sei die Arbeitsgrundlage dieser Bundesregierung "und damit natürlich auch die von Herrn Schäuble". Dass der Finanzminister der Koalition Probleme macht, ist nicht das erste Mal. Nachdem Schäuble im November seinen damaligen Sprecher vor laufenden Kameras demütigte, wurde zuletzt darüber diskutiert, ob er seinem Amt überhaupt noch gewachsen sei. Jetzt hat sich neuer Ärger aufgestaut.
"Ich sehe nicht, dass der Finanzminister durch die Steuerdebatte beschädigt wäre", sagte jedoch der haushaltspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Norbert Barthle, dem Abendblatt. "Dass die FDP mit ihm Konflikte ausfechtet, hat ja schon Tradition." Wolfgang Schäuble habe die FDP mit einer Salamitaktik wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeführt. "Wir sollten ihm dafür dankbar sein", sagte Barthle. "Ein Finanzminister, der überall beliebt ist, macht irgendetwas falsch. Wolfgang Schäuble hält haushaltspolitisch Kurs. Er macht einen hervorragenden Job." Auch Brüderle bemühte sich um Koalitionsfrieden: "Ich möchte ausdrücklich betonen, dass ich mit dem Minister Schäuble gut zusammenarbeite." Trotzdem ist weiterer Streit programmiert: Während Schäuble etwa beim Euro-Rettungsschirm das deutsche Haftungsrisiko erhöhen will, lehnen Union und FDP diese Pläne ab. Wissing warnte: "Solange Herr Schäuble den Koalitionsvertrag und den politischen Willen der ihn tragenden Fraktionen umsetzt, habe ich keine Veranlassung, ihm nicht zu vertrauen." Umgekehrt bedeutet das: Reizt der Finanzminister seine Alleingänge zu weit aus, bekommt er möglicherweise Probleme.
Und dann sind da noch die Uneinigkeiten über Vorratsdatenspeicherung, den Truppenabzug aus Afghanistan oder die Fachkräftezuwanderung, mit denen die Koalition zu kämpfen hat. Auch im neuen Jahr geht das Ringen um einen geschlossenen Auftritt weiter.