Die SPD und CDU kritisieren die Linke-Parteichefin nach ihrem Text über den richtigen Weg zum Kommunismus. Lötzsch verteidigt sich.
Berlin/Hamburg. Die Linkspartei hat sich für das Jahr mit sieben Landtagswahlen einiges vorgenommen: Sie will sich ein Grundsatzprogramm geben. Sie versucht, alte, ideologische Grabenkämpfe zwischen ostdeutschen Regierungslinken und westdeutschen Oppositionslinken, zwischen Radikalen und Pragmatikern zu beenden. Und sie will mit einer schlagkräftigen Parteispitze in die anstehenden Wahlkämpfe ziehen. Doch von allen ihren Zielen ist die Partei derzeit weit entfernt.
Mitten in die Debatte um eine Neuausrichtung der Linken sinnierte deren Vorsitzende Gesine Lötzsch nun in einem Artikel für die linke, marxistisch orientierte Zeitung "Junge Welt" über den richtigen Weg zum Kommunismus und die "Barbarei" des Kapitalismus. "Die Wege zum Kommunismus können wir nur finden, wenn wir uns auf den Weg machen und sie ausprobieren, ob in der Opposition oder in der Regierung", heißt es in dem Text. Über die Opfer der kommunistischen Diktaturen in der Sowjetunion, China oder Nordkorea verliert Lötzsch kein Wort.
Die Linken-Vorsitzende nimmt am Wochenende auf einer von der Zeitung organisierten Konferenz an einer Podiumsdiskussion zum Thema "Wo bitte geht's zum Kommunismus? Linker Reformismus oder revolutionäre Strategie - Wege aus dem Kapitalismus" teil. Sie diskutiert dort unter anderen mit der DKP-Vorsitzenden Bettina Jürgensen und der früheren RAF-Terroristin Inge Viett. Mit ihren Thesen stieß Lötzsch auf Empörung bei Union und SPD. "Ich fass mir an den Kopf. Gesine Lötzsch will zurück zum Kommunismus. Dorthin, wo wir Unfreiheit und Misswirtschaft 70 Jahre lang regieren sahen", sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier dem Abendblatt. "Ich kenne nicht mal viele in der Linkspartei, die das wollen", hob der Sozialdemokrat hervor. Und er sei gespannt, wie sich die anderen Führungsfiguren der Linken dazu äußern würden. "Da gibt's viel zu klären", sagte Steinmeier.
Auch CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe griff die Linken-Chefin scharf an: "Die skandalöse Kommunismus-Sehnsucht von Gesine Lötzsch ist ein Schlag ins Gesicht aller Opfer dieser menschenverachtenden Ideologie." Die SPD müsse endlich zur Besinnung kommen und sich "klipp und klar von einer Zusammenarbeit mit derartigen Verfassungsfeinden distanzieren".
Der Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, nannte die Darlegungen von Lötzsch "schmerzhaft und unerträglich" für die Opfer des Kommunismus. Auch der Berliner Linken-Verband, in dem Lötzsch organisiert ist, distanzierte sich. Hamburgs Fraktionsvorsitzende der Linken, Dora Heyenn, sagte dem Abendblatt dagegen, sie halte Lötzschs Artikel für "sehr lehrreich und auch selbstkritisch". Sie verurteilte die starke Kritik. "Wenn das Wort Kommunismus fällt, reagieren viele Menschen wie pawlowsche Hunde und verfallen in Hysterie", sagte Heyenn.
Lötzsch selbst rechtfertigte ihren Beitrag. Dieser diene der Vorbereitung auf die Podiumsdiskussion. Auf der Veranstaltung sei es "ihr Ansporn, im Publikum auch diejenigen für die Linke zu gewinnen, die unsere Partei für zu angepasst halten", sagte die Parteichefin "Spiegel Online". Sie stellte zugleich klar, dass ihre Partei "linkssozialistisch" sei und nicht kommunistisch. "Und ich werde auch kein Mitglied der Kommunistischen Plattform", fügte Lötzsch hinzu. In einer Stellungnahme machte sie zudem deutlich, dass sie das Thema der Fragestellung aufgegriffen habe und für "linke Reformen und einen demokratischen Sozialismus" plädiere. Sie fordere dazu auf, "Sackgassen zu verlassen und sie nicht als ambitionierte Wege zum Kommunismus zu preisen". Am Ende schreibt sie vom demokratischen Sozialismus als Zukunftsdevise.
Der Programmstreit bei den Linken weitet sich seit Wochen zu einem Führungskampf aus. Seit dem Rückzug der Gründungsvorsitzenden Oskar Lafontaine und Lothar Bisky wird die Partei von dem Westdeutschen Klaus Ernst und der Ostdeutschen Lötzsch geführt. Vor allem die Linken im Osten sind über ihre Vorsitzenden erzürnt. Zuletzt hatte der Thüringer Fraktionschef Bodo Ramelow Ernst vorgehalten, die Pluralität der Linken mit ihren beiden Erfahrungsschätzen aus dem Osten und dem Westen nicht zu begreifen. Der "Spiegel" hatte zudem berichtet, dass eine Landesgruppe Ost gegründet werden solle, was eine Spaltung der Partei zur Folge haben könnte.